In diesem Blog möchte ich Euch ein sehr interessantes Projekt vorstellen: the hard places.
Im Video, mit dem Salome und Lukas Augustin ihr
Projekt vorstellen, wird eine Frage aufgeworfen, die mich immer wieder
beschäftigt:
Verpflichten einen Begegnungen mit dem Elend und Freundschaften
zu Menschen in Krisenregionen zum Handeln? Ist es unehrlich oder sogar
beschämend, sich von liebgewonnen Menschen wieder abzuwenden und sich wieder in
die (relative) Sicherheit der Heimat zu zurückzubegeben? Muss das Erlebte nicht
zu einer Triebfeder für das eigene Handeln werden?
Der Kriegsberichterstatter und Fotojournalist
James Nachtwey formulierte folgendes:
„it`s hard to
see these things, but once you see them, it`s hard to turn away from them”
In jedem Fall werden solche und ähnliche Fragen
nach einer direkten Konfrontation mit widrigen Lebensumständen von einer
abstrakten auf eine sehr konkrete Ebene gehoben. Der Unterschied zwischen reinem
Wissen über Missstände und Kriege und die direkte Erfahrung ist gravierend. Der
Fernseher lässt sich jederzeit ausschalten. Erfahrungen zu verdrängen, ist
ungleich schwieriger. Unwillkürlich stellt man sich tiefschürfende Fragen.
Um nur zwei persönliche Erlebnisse anzuführen:
sehr prägend waren der Anblick verstümmelter Menschen während eines Besuchs in einem
Krankenhaus im Grenzgebiet zwischen Tansania und Ruanda und die angespannte Atmosphäre
in Srinagar, der Hauptstadt Kaschmirs. In vielen Gesichtern spiegelte sich das
Misstrauen, das in Jahrzehnten eines schwelenden Konflikts entstanden war, der
immer wieder aufflammt, und mit der Zeit die Menschen lähmt. Es kam mir vor,
als würde ein Streichholz reichen, um die Luft zu entzünden.
Die Frage, wie ich mich am besten engagieren kann,
wird mich nie mehr loslassen und oft frage ich mich, wie ich den nächsten
Schritt machen und mich direkter einsetzen kann.
Natürlich wird es auch in Zukunft Menschen geben,
die sich auf unterschiedliche Weise für dieselbe Sache stark machen. Menschen,
die sich direkt vor Ort engagieren, andere die gute Ideen bekannt machen und sie
untereinander vernetzen und wieder andere, die ausschließlich in ihrem direkten
Umfeld agieren und aus der Ferne Projekte unterstützen. Natürlich wechseln diese
Rollen immer wieder.
So können sich Menschen auf verschiedenen Ebenen gemeinsam engagieren. Und je mehr Menschen sich engagieren, desto größer werden ihr Einflussmöglichkeiten! Vor diesem Hintergrund bietet das Crowdfunding eine spannende Möglichkeit, konkrete Projekte zu realisieren und Menschen zu unterstützen, die gute Ideen haben, zur Realisierung aber Unterstützung brauchen. Beim Crowdfunding erhält man auch eine Gegenleistung für seine Unterstützung.
Auf das Projekt hard places wurde ich durch einen
Leser meines Blogs aufmerksam, der das Video von Mediastorm über Afghanistan
auf diesem Blog gesehen hatte. Ich war sogleich fasziniert von der
Präsentation. Es stellte sich heraus, dass Salome und Lukas Augustin zur
Reportage von Mediastorm einzelne Szenen beigetragen haben.
In ihrem aktuellen Projekt steht die Arbeit von
Tom Little in Afghanistan im Fokus.
Tom Little und seine Frau kamen 1977 nach
Afghanistan und kümmerten sich zunächst in Kabul um Hippies, die völlig die
Orientierung verloren hatten. Sie erlebten ein Land, das sie von Anfang an
faszinierte – mit der Gastfreundschaft der Menschen, den mächtigen Berglandschaften und dem reichen kulturellen Erbe des Landes.
1978 besorgen sie sich dauerhafte
Aufenthaltsgenehmigungen und halfen mit, ein Krankenhaus zur Behandlung von
Augenkrankheiten fertig zu stellen.
1979 besetzte die Sowjetunion Afghanistan und in
der Folgezeit wurde das Land zum Spielfeld geostrategischer Interessen – zum Schauplatz
des kalten Krieges.
1980 wurde Tom Little zum Administrator für das
1966 gegründete NOOR Eye Institut. Diese Arbeit für die Zivilgesellschaft
Afghanistans wird zu seiner Lebensaufgabe. Er bildet Afghanen zu Augenärzten
aus, baut Krankenhäuser mit auf und engagiert sich auch für Menschen, die ohne
ihn und seine Arbeit keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt hätten. Immer
wieder kehren die beiden nach Afghanistan zurück und lassen sich weder von
(Bürger)krieg, den Taliban oder dem Krieg gegen den Terror dauerhaft in ihrer
Arbeit stoppen.
2010 wurde Tom gemeinsam mit neun anderen
medizinischen Helfern beim Einsatz für die Menschen in einer abgelegenen Region
getötet. Im Video zu hard places sagt Tom Little den bemerkenswerten Satz:
„this power to
love them is something they cannot take from me – even if they kill me“.
Und
so ist diese Geschichte auch eine, die von der Liebe handelt – zu den Menschen in
Afghanistan, denen sich Tom besonders verpflichtet fühlte. Aber auch über die
Kraft der Liebe, die Tom und seine Frau Libby trotz der schwierigen
Verhältnisse verbunden hat und die ihr Engagement ermöglichte – offensichtlich verbindet
diese Liebe auch die beiden Filmemacher und gibt ihnen Kraft für ihre Arbeit.
Gemeinsam mit Libby Little werden die beiden nach
Afghanistan reisen, um zu sehen welche Spuren seine Arbeit hinterlassen hat.
Zugleich wollen sie Stimmen aus der afghanischen Bevölkerung einfangen und
versuchen zu ergründen, welche Zukunft in Afghanistan möglich ist. Angesichts des
Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 ist die große Frage, ob
die Taliban erneut an die Macht kommen, es erneut zu einem Bürgerkrieg zwischen
den Warlords kommt oder ob es eine Chance auf Frieden gibt. Danach sehnen sich
die Afghanen nach über drei Jahrzehnten des Chaos.
Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, dass Libby
Little bereit ist, noch einmal nach Afghanistan zu reisen. Sie bekennt, wie
schwer ihr die Reise ohne ihren Mann fallen wird. Man kann nur erahnen, wie
schwer manche Erinnerungen für sie sein müssen.
Die
Ausstrahlung und Verbreitung des fertigen Films ist durch die Zusammenarbeit
mit einem PBS-Produzenten gewährleistet. Salome und Lukas Augustin besitzen
Erfahrungen in Afghanistan, Kongo und anderen Krisenregionen.
Ihr 2010 gedrehter Kurzfilm „Afghanistan - touch
down in flight“ wurde prämiert und zeigt eindrucksvoll die Kraft, die in ihren
Bildern und Sequenzen liegt – der Film arbeitet mit Portraits, Alltagsszenen
und Landschaftsaufnahmen, die völlig unkommentiert ganze Geschichten mit starken
Emotionen zu erzählen vermögen:
Afghanistan – touch down in flight from Augustin Pictures on Vimeo.
Am 4. April 2013 wurde der Film mit dem CNN-Jorunalist Award im Online-Bereich ausgezeichnet.
Wenn ihr die selbst die Möglichkeit habt das
Projekt zu unterstützen oder dabei helfen könnt, das Projekt noch bekannter zu
machen, würde ich mich sehr freuen! Ich halte es für ausgesprochen wichtig,
dass auch andere Bilder aus Afghanistan die „westliche Welt“ erreichen!
Das Kickstarter-Projekt war überaus erfolgreich und hat anstatt der avisierten 20.000 Dollar nahezu 35.000 Dollar erreicht. Die beiden befinden sich bereits in Afghanistan, um ihren Film zu realisieren. Nach wie vor ist Unterstützung erwünscht und wer etwas beitragen kann, findet hier die Möglichkeit.
Weiterführende Links:
weitere Hintergrundgeschichten und die Biographie von Tom Little.
Hier findet sich die ausgezeichnete Reportage von Mediastorm über Geschichte, Gegenwart und möglicher Zukunft Afghanistan und meine eigenen Gedanken zu dem Thema.
Gedanken zu den Möglichkeiten der Reportage und konkrete Beispiele, die
aufzeigen wie Journalismus und Kultur der Gesellschaft empathische
Erfahrungen vermitteln können, die Menschen zum Handeln anregen, um
einen nachhaltigen Wandel mit zu gestalten.
Beispiele für den Wandel im Journalismus - unter anderem die sehenswerte Multimedia-Dokumentation Alma - Kind der Gewalt über den Alltag in den Elendsvierteln Guatemalas.
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