Eine 3-tägige Wanderung führte uns in eine andere Welt:
uns erwarteten ein gigantischer Vulkansee mit einem perfekt geformten
Vulkankegel, über dem eine weiße Rachfahne hängt, heiße Quellen und die
abenteuerliche Besteigung des Gipfels durch dichten Nebel, Dunkelheit und
feuchten Vulkansand…
Vorwort:
Ich hatte Euch
zuletzt in Varanasi in Nordindien am Ganges mit meinen Gedanken über Leben,
Liebe und Tod und den Feierlichkeiten zu Dev Devali zurückgelassen. 4 ½ Monate
im Himalaya waren gerade an der Gangesquelle bei Gangotri mit dem
Wintereinbruch zu Ende gegangen. Danach verschlug
es mich nach einer 53 stündigen Bahn- und Busfahrt an die Gestade des
indischen Ozeans im Süden Goas zu Freunden, guter Musik, goldenen Erinnerungen
und Emotionen. Nach sechs intensiven Tagen, stand
meine letzte Reise in Indien an: 16 Stunden Bahnfahrt weiter in den Süden nach
Kerala. Nach zwei viel zu kurzen, aber wunderschönen Tagen in
einem bezaubernden Homestay in Cochin, flog ich über Singapur nach Bali. Dort traf ich
meinen Freund Ulf wieder, den ich seit unserer ersten Begegnung in Athen 2009 auf
meiner ersten großen Reise nur zweimal kurz gesehen hatte. Nach einem
Kurzaufenthalt in Kuta/Bali und Kuta/Lombok, zog es uns zum Rinjani.
Es war der Auftakt zu einer großartigen Zeit voller Freude, Witz, Tiefe und wunderbarer
Begegnungen – eine Reizüberflutung vom Allerfeinsten.
Die erste Episode: Abdul und Gonzo Baba am Rinjani:
Nach gerade mal 2
Stunden Schlaf, begann unsere Reise in Kuta – im Süden Lomboks – um 4 Uhr
morgens. Aufgrund des engen Zeitrahmens der Ulf und mir zur Verfügung stand,
mussten wir auf eine Übernachtung am Fuß des Rinjani verzichten. Am Vortag war
ich mit Thomas – einem Franzosen, den Ulf in Bali kennengelernt hatte und der
uns begleitete, surfen gewesen. Allerdings war der Spot für einen blutigen Anfänger
wie mich denkbar ungeeignet gewesen und nach 2 Stunden hatte ich schwere Krämpfe.
Keine gute Idee direkt vor dem ausgesprochen anstrengenden Treck…
Wir durchquerten zunächst
dichten Dschungel und die Hauptstadt Lomboks, bevor wir an der Westküste
entlang fuhren, um schließlich Senaru zu erreichen. Dort nahmen wir einen
Bananen-Pfannkuchen und Lombok-Kaffee zu uns. Wir waren von einer tropischen
Landschaft umgeben. Um uns herum wuchsen Bananen, Avocado- und Mangobäume. Dann
stießen wir zu unserer Gruppe. Wir waren zu acht, dazu kam Addy unser Führer (,
den ich aus nachvollziehbaren Gründen fortan lieber Guide nenne…) und drei Träger.
Die erste Etappe führte
durch tiefen Schlamm, bevor wir den Eingang des Rinjani-Nationalparks
erreichten. Die Damen der Gruppe spielten entzückt mit den Hundebabys, die uns
erwarteten, mich faszinierten viel mehr die beiden Schwäne, die regungslos im
Dschungel verharrten und in dieser Umgebung extrem deplatziert wirkten. Zunächst
dachte ich, sie bestünden aus Plastik…
Nun betraten wir
den Dschungel. Mit der Machete war ein Weg freigeschlagen worden – allerdings
war der Dschungel nicht besonders dicht bewachsen. Wurzeltreppen führten uns an
mächtigen Bäumen, Affen, einer Eule und Zikaden mit ihren schrillen Sirenen
vorbei.
Ich ließ mich etwas zurückfallen, um die Geräuschkulisse in mich
aufzusaugen. Die Affen kamen nun näher – unsere Gruppe hatte sie eher in die Flucht
geschlagen. Ich war bezaubert.
Bei der ersten
Mahlzeit, berichtete mir Ulf von den Überlegungen der Gruppe zu meiner Person:
Wer war dieser bärtige, langhaarige Mann in der orangefarbenen Anbetracht aus
Indien, der von Meditation sprach, als man ihn fragte, warum er so langsam
gegangen war?
Verstärkt wurde
die Irritation durch die koketten Scherze, die Ulf, Thomas (der mich schwer einschätzen
konnte) und ich über das “Baba Life” betrieben. Es ist für mich mehr als ein
Spiel – das wäre respektlos, aber ohne Selbstironie wäre es zu albern. Ich mag
einsam im Himalaya gewandert sein und ja, mich zieht es in eine
schamanisch-spirituelle Richtung, aber ich bin kein heiliger Mann und immer
noch ein Kind des Westens. Ich war nicht mehr oder weniger als alle Anderen –
alles und nichts zugleich.
Jedenfalls
fremdelte die Gruppe - noch.
Auch ich
fremdelte. Dies war der erste Treck, den ich jemals NICHT alleine unternahm und
ich hatte viel Zeit in Einsamkeit verbracht – in jedem Fall wenig Kontakte zu
anderen Kindern des Westens gepflegt – ganz bewusst.
Doch ich fand
nach und nach eine Balance zwischen Momenten des Alleinseins und Begegnung. Es
war wunderbar, einmal eine solche Erfahrung zu teilen – und mit Ulf hatte ich
den besten Kompagnon an meiner Seite, den ich mir vorstellen konnte.
Nach einigen
Kilometern wandelte sich die Landschaft das erste Mal radikal. Nach dem
Regenwald betraten wir eine Zone, die von zierlichen, moosbewachsenen Bäumen beherrscht wurde. Und von dichtem Nebel. Er
verlieh der Umgebung eine mystische Unschärfe.
Ich ging nun mit
Rose, einer jungen, unglaublich sportlichen und ebenso sympathischen Niederländerin.
Wir unterhielten uns prächtig und fanden zu einem schnellen gemeinsamen Tempo.
Bei der nächsten Rast ”testete” ich das Gepäck unserer Träger, das sie auf
einer Holzstange über den Schultern balancieren. Ich schätze die Stange wog
zwischen 35 und 40 Kilogramm. Die jungen Männer marschierten damit in Flipflops
herum als wäre es nichts.
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einer unserer immer fröhlichen Träger - hier allerdings leicht bepackt... |
Der Führer der Kleingruppe von Rose, einer Finnin und
ihrem Freund, einem Halb-Finnen, Halb-Engländer, war Suleiman, der seit über 20 Jahren
den Berg bestieg.
Es wurde nun
steiler und felsiger. Der Nebel lichtete sich und der Blick weitete sich, je höher
wir kamen. Aufgrund der Aussicht auf die sanften grünen Hügel hätten wir uns
auch in den schottischen Highlands oder im Auenland befinden können. Die
Szenerie wirkte irreal und berauschte mich.
Kurz bevor wir
den Kraterrand erreichten, klarte der Blick noch weiter auf und gab die Sicht
bis zur Küste und den ganzen Weg, den wir bereits zurückgelegt hatten, frei.
Wir hatten nun 2000 Höhenmeter überwunden und befanden uns auf 2600 Höhenmetern
über dem Meeresspiegel. Ich wechselte ein paar Worte mit dem Kollegen aus
Hong-Kong – er war vollkommen begeistert – großer hätte der Kontrast zu seiner Heimatstadt
kaum sein können. Polite – das
beschreibt sein Auftreten wohl am besten.
Als wir unseren
Lagerplatz erreichten, lag der Vulkansee zunächst unter Wolken verborgen – nur
die ersten in der Gruppe hatten bereits einen Blick darauf werfen können. Aber
mir war nicht bange – ich war mir sicher, dass er sich nochmal zeigen würde.
Wir machten Bekanntschaft mit einigen unglaublich freundlichen Einheimischen,
die uns auf ein paar Purjoints mit Gras aus Aceh in Sumatra einluden. Instant connection. Dann war es auch für
mich soweit; als die Wolkendecke jäh aufbrach, blieb uns nur ungläubiges
Staunen ob der Pracht, die uns dargeboten wurde:
Unter uns lag der
tiefblaue See. Die Hänge des riesigen Kraterrands, auf dem wir uns befanden,
waren zum Teil dicht bewaldet, zum bestanden sie aus schroffem Fels. Auf einer sternförmigen Halbinsel, thronte der perfekt
geformte Vulkankegel, gesprenkelt in einem vulkanischen, tiefen Rotton. Über
dem Vulkan, dem Gunung Baru, dem "neuen Berg", steht meistens eine weisse Rauchfahne.
Der riesige Krater zeugte von einer
riesigen Explosion. Ein internationales Forscherteam geht davon aus, dass sich im Jahre 1257 ein derart gewaltiger Ausbruch ereignet haben muss, dass der darauffolgende Sommer 1258 in Europa von Dauerregen und Missernten gepraegt war und als Jahr ohne Sommer in die Geschichte einging.
Ich fuehlte mich entfernt an die mit Meerwasser gefüllte Caldera von Santorin erinnert – doch die Umgebung hätte unterschiedlicher nicht sein können.
Sehr spannend ist auch der Mythos des Rinjani:
Gefunden in “Reise Know-How Bali & Lombok” – verkürzte
Abschrift des Auszugs aus dem Buch “Kleine
Inseln – große Abenteuer” von Heinz
Kruparz.
Am Lagerfeuer
sitzend erzählt ihm sein Führer und Guru den Mythos:
“Lange, bevor
unsere indonesischen Inseln ihre heutige Form besaßen, begab es sich, dass der
Gott des Feuers sich gegen den Gott des Meeres empörte und beide gegeneinander
Krieg führten. Ihr müsst wissen, dass dem Gott des Feuers einst die gesamte
Erde zu Eigen war. Die Welt ist (...) einst aus Feuer entstanden. Dann kam der
neidische Gott des Wassers. Er ließ es regnen und wollte auf diese Weise alles
Land durch seine feuchten Heerscharen, die Wassermassen, erobern. (...) Stück
um Auszuschließend brach er mit seinen nimmermüden Zähnen von den Küsten der Kontinente.
Seht nur, was von unserem Indonesien übrig blieb: unzählige Inseln! Der Rest
des Kontinents hingegen liegt am Meeresboden. Als die Not groß war, riefen
unsere bedrängten Urväter mit Hilfe ihrer frommen Priester den Gott des Feuers
zu Hilfe. Jedoch es kam, wie es immer kommt wenn man einen Gewaltigen zum
Schutz in sein Haus holt: Der Gott des Feuers half den Malayen wohl gegen die
nagende Meeresflut, blieb aber dann im Lande.
Von diesem Tag an
mussten die Inselbewohner unter seiner Gewalttätigkeit leiden. Seither müssen
in jeder Generation Tausende durch das Feuer sterben, welches er aus der
geborstenen Erde schleudert. Aber der Feuergott schuf auch Neuland, denn wenn
das ausgespienen Feuer erloschen ist und die geschmolzene Erde erkaltet,
verwandelt es regen in fruchtbares Ackerland.(...) Abertausende mussten diese
Hilfe gegen des Gott des Wassers mit ihrem blühenden Leben bezahlen! (...)
So maßen sich die
beiden herrschsüchtigen Götter miteinander(...). Schließlich waren sie des Kampfes
müde. Der Feuergott, Gott Api, zog sich hierauf dorthin zurück, wo er die höchste
Burg hat und die gläubigen Massen ihn seit jeher am meisten huldigten und Opfer
darbrachten (...), den Rin(d)jani.
(...)
Dort oben lebt er
seither, jedoch nicht allein. Für den Fall, dass ihn der Wassergott wieder bedrängen
sollte, hat sich der Feuergott eine Geisel mit in seine Burg genommen: ein Kind
des Meergottes namens Segare Anak. (...) Es ist gefangen, Gott Api hält es in
seinem Schlosse hinter hohen Zinnen fest. (...) Er liebt es, jeden Morgen sein
schreckliches Antlitz in dem strahlenden Auge des Sees zu spiegeln. Aber da
wird der Gott der feuchten Mächte jedes Mal von neuem böse: er schickt dicke Wolken,
dass sie sein Kind verhüllen, oder er trübt durch Regenschauer die reine, klare
Wasserfläche. Aber im Übrigen ist der Wassergott machtlos. Das Kind des Meeres
wartet auf seine Befreiung. Es sehnt sich nach der Wiedervereinigung mit dem
Meere!
(...) Wir sind
uns dessen bewusst, dass man den Feuergott erzürnt, wenn man das “Kind des
Meeres” auch nur zu erblicken sucht, geschweige denn seine geheiligten Wasser
durch unsere Anwesenheit verunreinigt! Verständlich, wer lässt denn schon seine
Gemahlin von Fremden betrachten? Ihr wisst nicht, dass Gott Api das liebreizende
Kind zu seiner Frau gemacht hat? (...) Der “Gunung Baru”, der “neue Berg” ist
aus dieser Verbindung entsprossen.”
Wir bezogen unser
Zelt und schwelgten im Anblick der majestätischen Kulisse. Der Sonnenuntergang
war dramatisch und schien Ewigkeiten anzudauern.
Der Blick vom Aussichtspunkt
oberhalb unseres Lagers war atemberaubend: Der Blick reichte im Westen ueber
die Gili-Inseln bis zum heiligen Berg auf Bali.
Im Norden und
Osten waren mehr Inseln zu sehen und auch Südwestlombok war zu erkennen.
Ich schloss
Kontakte mit verschiedenen Gruppen und fühlte mich pudel wohl. Danach saßen wir
in (nun) trauter Runde um ein kleines Lagerfeuer, hörten Musik und genossen die
laue Nacht. Als wir gerade eine Sportzigarette konsumierten, sahen wir etwas
Unfassbares. Ulf sah es zuerst, aber er traute seinen Augen nicht und schwieg.
Als auch ich einen Zug nahm und nach oben blickte, fiel mir die Kinnlade
herunter: über uns hatte sich ein riesiger Lichtring um den Halbmond gebildet.
Ein Halo. Dieses Phaenomen entsteht durch einen Lichteffekt, der atmosphärischen Optik, die durch Reflexion und Brechung von Licht an Eiskristallen entstehen..
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Eigentlich war Halbmond. Dies war noch das bestmoegliche Bild, das ich schiessen konnte. Thomas mit seinem Stativ hatte auch nicht viel mehr Glueck. Man kann hoechstens erahnen, wie gigantisch der Anblick war... |
Der ganze Himmel war wolkenbedeckt und sparte nur diesen Kreis aus.
Erst viel später zog eine einzelne Wolke unterhalb des Phänomens hindurch. Irgendwann schwand der Ring, doch er kehrte noch
einmal zurück. Es wurde spät. Nachts schliefen Hunde direkt am Zelt und bellten
von Zeit zu Zeit lautstark. Doch das war nichts gegen den sympathischen
Chinesen, der sich als wahre Schnarchmaschine herausstellte – wir rätselten,
wie sein schmächtiger Körper diese unglaubliche Resonanz erzeugen konnte.
Entsprechend kurz war auch diese Nacht. In der Nacht hatten wir alle Albträume.
War dies der Zorn des Feuergotts? Ich träumte wie ein Teil meiner Familie mich verstieß.
Ich erwachte mit einem Grauen.
Am nächsten
Morgen stiegen wir über einen steilen Abhang zum See hinunter. Der böige Wind war
das alles beherrschende Geräusch. Ansonsten war es geradezu totenstill. Eine majestätische
Ruhe. Ich nahm mir wieder Zeit, um den Anblick zu genießen.
Dann nahm ich Tempo
auf und erreichte den See als Erster. Dort verweilten wir etwa 3 Stunden.
Zunächst
meditierte ich ein wenig, erwies dem für Balinesen wie Sasak (die Bevölkerung von Lombok)
gleichermaßen heiligen Ort meine Aufwartung. Auch ich spürte eine starke
Energie. Ich überwand mich und schwamm auf den 230 Meter tiefen und dunklen See
hinaus. Unter Wasser war nichts zu erkennen.
Die Träger fischten derweil in einem atemberaubenden Tempo einen Fisch nach dem
anderen aus dem Segara Anak.
Danach ging ich gemeinsam
mit den anderen zu den wohltuenden heißen Quellen.
Unsere Muskeln entspannten
sich und unsere Gemüter ebenfalls. Wir waren von einer bizarren,
atemberaubenden Landschaft umgeben.
Die beiden Pools, in denen wir badeten hatten
ein milchiges, schwefliges Gelb und die beiden Miniaturwasserfälle boten einen
Massagestrahl aus der Rubrik “hardcore”.
Ulf und ich stiegen noch ein wenig
hinab und fanden noch einen weitaus imposanteren Wasserfall.
Nach der Rückkehr
am Lager, wurden wir wieder mit Essen verwöhnt: Reis, Gemüse, Ei, Hühnchen,
Chili und Prawncracker. Direkt danach brach die Gruppe auf.
Nach dem heißen
Quellen und mit dem vollen Magen war mir nicht danach, gleich weiterzuziehen. Außerdem
wollte ich noch einen stillen Moment am Ufer verbringen und meditieren. Andacht.
Addy wusste schon, das er da einen ganz speziellen Fall in seiner Gruppe hatte
und versicherte mir mit einem Ausdruck zwischen Lächeln und Grinsen, ich solle
ruhig noch meditieren, ich würde meinen Weg schon finden und die Gruppe wieder
einholen.
Auch nach 20
Minuten fühlte ich mich weiter schlapp und so machte ich mich ganz langsam auf
den Weg. 1000 Schritte sollst Du tun, danach ließe sich wieder über Trecking reden.
Eine gute Entscheidung. Ruhe. Bisweilen lief ich mit den Trägern, die in ihren Flipflops
und allen Vorräten und Zelten plaudernd den steilen Weg in einer geradezu
provozierenden Lässigkeit meisterten. Es war angenehm Ihnen zu lauschen und
nichts zu verstehen. Dann ging ich wieder allein durch den dichten Nebel. Es
wurde immer steiler, ich fand immer besser in Tritt und überholte schließlich
einen Teil der Gruppe. Thomas hatte sich für seinen großen Rucksack mit dem ganzen Photo-Equipment entschieden –
ein grober Fehler. Ich mied die großen Stufen, die errichtet worden waren für
ein Hotelprojekt am Kraterrand, das glücklicherweise aufgegeben worden war.
Schließlich
erreichten wir den letzten Lagerplatz – das “Basecamp” des Gunung Rinjani. Die
Zelte waren bereits aufgebaut. Wir befanden uns in einer trüben Suppe, die unmöglich
machte zu erkennen, in welcher Umgebung wir uns befanden. Nur eins war
offensichtlich: Unmengen von Müll. Leider wurde der Ort nicht mehr gereinigt.
Eine Schande angesichts der Bedeutung des Berges. Doch für das Plastikproblem
muss erst Bewusstsein wachsen – auch bei uns hat das sehr lange gedauert. Und
nur weil das Problem in der “westlichen” Welt nicht mehr so stark sichtbar ist,
heißt das keineswegs, dass wir das Problem im Griff hätten – man denke nur an
den “Müllkontinent” im Pazifik. Abgesehen davon macht es mich bisweilen fast wütend,
wenn ich Touristen höre, die meinen, dies sei nur ein Fehler der Einheimischen.
War es nicht der Tourismus und die einseitige Globalisierung, die den
Grundstein für das Problem gelegt hatte? Und wo war der Technologietransfer?
Wir haben einiges Wissen über Recyclingmanagement, aber zu wenig altruistische und
zu viele wirtschaftliche Interessen, um das Problem anzugehen und vor Ort
Strukturen aufzubauen. Beides lässt sich durchaus kombinieren.
Doch zurück zur
Gruppe, zu Addy und den Trägern: Mister Kool und seiner Gang…
Ich übergab ihnen
die Kontrolle über meine kleine Musikbox, was zur Folge hatte, dass wir nach
einiger internationaler Musik bei deutschem Rap landeten. Ihnen war schließlich
egal, ob sie englisch oder deutsch nicht verstanden. Ihnen ging es um die Beats
und die waren gut. So lauschten wir dem neuen Patchworks-Produzentenalbum,
Genettik und schließlich bei Creutzfeld & Jacob. Skurriler geht’s kaum…
Es regnete sich
immer weiter ein. Ich hielt es noch eine Stunde draußen aus, dann saß ich mit
Ulf im Zelt hörten seinen Rap, philosophierten und erstellten Notizen zum
Treck. Als ich um Mitternacht ein letztes Mal rausging, hatte es gerade aufgehört
zu regnen – nach 8 Stunden. Es war ein kleines bisschen klarer und ich hatte
Hoffnung, dass wir doch den Gipfel in Angriff würden nehmen können.
2 Stunden später
war die Nacht vorbei. Ich war extreme entschlossen und bester Laune. Thomas
nicht. Er machte alles madig. Ich entfernte mich von ihm, um positiv zu
bleiben. Ich wollte nicht mit ihm streiten. Schließlich waren wir zu fünft beim
Aufstieg (von unserer 8er-Gruppe und den Dreien mit denen wir parallel liefen): Kyle, ein
Kanadier, der Finn-Englaender, Rose,
Ulf und ich. Angeführt natürlich von Addy. Das Adrenalin lies uns laufen.
Dennoch war unsere Müdigkeit extrem. Wie in Trance stiegen wir in der Dunkelheit
aufwärts. Es war neblig-feucht und wir begannen schnell zu schwitzen. 2/3 des
Wegs waren anstrengend, aber durchaus machbar. Leider waren die Headlights von
Ulf und mir ausgesprochen schlecht und als ich zwischenzeitlich den Anschluss
verlor, hatte ich große Mühe, den nun immer schmaler werdenden Grat, halbwegs
auszuleuchten. Stellenweise war der “Weg” nicht mal einen Meter breit. Der
Vulkansand, auf dem wir liefen, war feucht und es ging 3 Schritte hoch und
einen runter. Dieses letzte Stück war kriminell. 45 Grad Steigung. Ich rannte
immer ein paar Schritte hoch, hielt dann schwer atmend inne. Diese Etappe war
ein Rythmuskiller. Kaum stand man, begann man erbärmlich zu frieren. Also
weiter ein paar Schritte hoch. Scheinbar unendlich. Nur Wille hielt uns auf dem
Weg.
Endlich
erreichten wir den Gipfel und das Adrenalin, das uns hochgepeitscht hatte,
entlud sich in einem berauschenden Glücksgefühl. Sicher, der Blick hätte noch imposanter
sein können; die Sonne versteckte sich teilweise hinter den Wolken und im
schneidenden Wind war es bitterkalt. Ich meine sibirisch. Wir standen nun auf dem hoechsten Gipfel des zweithoechsten Vulkan in Indonesien auf 3729 Metern. Mit größter Mühe
hielten wir es knapp 20 Minuten auf dem Gipfel auf. Wir wurden in keinster
Weise enttäuscht. Es war durchaus wahrscheinlich gewesen, dass wir nichts hätten
sehen können. Und wir hatten uns selbst bezwungen, den Berg in uns selbst.
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Abdul am Ziel... |
Die
Belohnung war riesig: Da standen wir nun ÜBER den Wolken.
Auf der einen Seite
waren dichte Wolken, so dass wir den See nicht sehen konnten. Auf der anderen
Seite reichte der Blick weit über den Ozean hinaus. Und es sollte noch besser
werden: auf dem Weg hinab, klarte es auf und der See samt Vulkan wurden scharf.
Auf der anderen Seite sahen wir unser nächstes Ziel: Sumbawa. Oder war es gar
Komodo?
Wilde Zacken deuteten auf die gewaltigen vulkanischen und
Faltungsprozess an, die diese Inseln geschaffen hatten. Die Insel schwebte über
den Wolken. Himmel und Meer waren verschmolzen.
Nun konnten wir erkennen, welch wahnsinnigen Grat wir erklommen hatten. Zu beiden Seiten lauerte der jähe Abgrund. Wir schienen uns auf einem anderen Planeten zu befinden. Abdul berichtete mir später, dass er bei der Besteigung zu weit an den rechten Rand getreten war, abgerutscht war, und zu seinem grossen Glück nach vorne auf seine Hände fiel. Spätestens auf dem Weg hinab, realisierte er was für ein riesiges Glück er gehabt hatte!
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Hier kann man die Steilheit des Grats allenfalls erahnen... |
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ein mussglückter Schnappschuss des steilen Abgrunds. Dürfte aber beim Herrn Abdul kurzzeitig böse Beklemmungsängste auslösen. Doch am Ende ließ der Feuergott Milde über Abdul walten. |
Im Gegensatz zum unglaublich harten Aufstieg, war es nun eine wahre Freude im Vulkansand hinabzusliden. Dazu hatten wir den unglaublichen Blick hinunter auf den in Grün- und Blautönen schimmernden See und seinen Vulkan. Ich nahm mir alle Zeit der Welt, um das Bild tief in mich aufzusaugen.
Das war der krönende
Abschluss.
Was nach dem Frühstück im “Basecamp” folgte, war ein zäher
Durchhaltemarathon. Mit Tunnelblick flott ins Tal. Wieder
passierten wir die verschiedenen Mikroklimazonen. Nach 12 Stunden Marsch
erreichten wir Sembalun.
Anmerkung: Unternehmt den Treck besser nicht in der Regenzeit!!!
Die zweite Episode: Abdul und Gonzo Baba brachen zu einer epischen Bootsfahrt auf, schliefen unter den Sternen, schwammen
mit Mantarochen, heckten wilde Kaperpläne aus und legten ihr Schicksal in
die Hände Käpt’n Araks – oder würden Sie das Steuer an sich
reißen? - Reisereportage: Kapitän Arak, der Pirat und die Drachen