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Vorwarnung
Einer ganzen Reihe von Reisenden, mit denen ich
mich unterhalten habe, und die ebenfalls zuerst Indien und danach Thailand
kennen lernten, ging es ähnlich – nach der übermächtigen indischen Kultur, die
sich zwar auch in einem Wandel befindet - die aber neue Einflüsse viel stärker
absorbiert - erscheint Thailand sehr westlich geprägt – was die meisten
Reisenden, die von Europa nach Thailand kommen, niemals unterschreiben würden…
In jedem Fall hat sich die westliche Lebensart
sehr stark mit der Kultur der Thai vermischt – vor allem in Bangkok und den
Tourismuszentren des Landes. In Indien wäre damit wohl noch am ehesten Goa
vergleichbar. Doch auch dieser Vergleich hinkt; zudem fallen die ausländischen
Touristen im Land angesichts der Gesamtbevölkerung Indiens an den wenigsten Orten
ernsthaft ins Gewicht.
Thailand hat sich deutlich stärker verändert. Nun
ist es so, dass viele Thai diese Veränderungen durchaus begrüßen und sich der
Lebensstandard im Allgemeinen deutlich gehoben hat – doch diese Entwicklung kennt auch viele
Verlierer und das Land ist zunehmend gespalten. Die einen sind begeistert vom
Fortschritt und stark angezogen vom westlichen Lebensstil. Doch gerade
außerhalb der großen Städte gibt es viele, die den Ausverkauf ihrer Kultur
beklagen und sich von den Profiteuren des Aufschwungs, die zu einem
wesentlichen Teil in Bangkok leben, übergangen fühlen. Wenn man in den
Morgenstunden Bangkok mit dem Zug erreicht, sieht man die weniger bekannten Seiten
der Stadt - Slums und Randexistenzen entlang der Bahngleise.
Lange Zeit wollte ich Thailand auf keinen Fall bereisen,
weil ich eine Befürchtung dessen hatte, was mich dort erwarten würde –
Massentourismus, verstörende Auswüchse der Prostitution und ein Land, das auf
dem Weg zur Konsumkultur nach und nach seine Seele verliert. Dieser
Einschätzung hat sich nicht grundlegend geändert. Das soll keineswegs heißen, Thailand
wäre kein schönes Land. Viele Reisende können gar nicht genug bekommen. Auch
ich habe unheimliche liebenswürdige Thais kennenlernen dürfen, betörende
Landschaften gesehen und viele bereichernde Impressionen in meinen Rucksack
packen können. Doch die Begeisterung für Shoppingmalls und Lifestyle-Gesellschaft
geht mir vollständig ab. Egal ob in Europa oder Asien.
Doch um wirklich herauszufinden, was sich dort
abspielte, musste ich erst in die Hölle hinabsteigen – und meine persönliche
Hölle erkunden. Dass es die gab war keine neue Erkenntnis und doch hätte ich
vor meinem ersten Besuch in Bangkok gedacht, dass ich auf meinem Weg schon
weitergekommen wäre.
Es war immer klar, dass ich diesen Blog nur
mit einer gewissen Prise Wahnsinn schreiben konnte – und so ist dies auch ein
Experiment mit gonzoesken Zügen – durchaus beeinflusst durch meine
Lektüre des Großmeisters – Hunter S. Thompson. Ihn zu kopieren wäre freilich
nicht mein Stil – und nicht zuletzt fehlt mir dazu das Bataillon an Drogen, die
sich der Duke verfügbar machte. Im
besten Falle erweitere ich mit diesem Blog mein Repertoire – im schlechtesten wird
man mich nie wieder lesen. Ich hoffe das ist es wert - mir bleibt keine Wahl…
Bangkok
„Die materielle Gewalt der westlichen Weltsicht
hat die östliche überrollt. Asien hat seinen Frieden verloren auf der Jagd nach
dem Glück, das uns bereits unglücklich gemacht hat.“
Tiziano Terzani
Während meiner Reisen war ich meist alleine
unterwegs. Lonesome Traveller. In den
Monaten in Südostasien war das zumeist anders. Das Timing war perfekt: ich
landete – von Bombay kommend - exakt 20 Minuten nach Chris auf dem Flughafen
von Bangkok. Ermöglicht hatte unser sofortiges Zusammentreffen die beispiellose
Dekadenz der Scheichs von Abu Dhabi. Denn aufgrund einer schweren Infektion und
meiner geradezu legendären Planlosigkeit, hatte ich Chris erst im letzten
Moment eine Mail zukommen lassen – sinnigerweise als er sich bereits in der
Luft befand – um ihn wissen zu lassen, das ich wirklich kommen und ich ihn
nicht hängen lassen würde. Am Flughafen von Abu Dhabi hatte er bei der
Zwischenlandung dank eines kostenlosen Internetzugangs meine Nachricht
erhalten. Mit Chris und zwei anderen Mädels hatte ich vor meinem Aufbruch in
den Wahnsinn zwei Jahre lang in einer WG gewohnt. Der Wahnsinn vor dem
Wahnsinn.
Bevor Chris mich erblickte, war er damit beschäftigt,
wie ein Irrwisch zwischen zwei Gepäckbändern hin und her zu springen, die
jeweils Flüge aus Bombay abwickelten. Es fühlte sich fast ein wenig unwirklich
an, endlich einmal ein aus der Heimat bekanntes Gesicht zu sehen. Schließlich
lag mein Aufbruch anderthalb Jahre zurück und den zwischenzeitlichen Aufenthalt
in good old germany war nach einer
kurzen Phase der Euphorie von einer kolossalen Umnachtung geprägt. Wir tranken
ein paar Kaffee in einer ekelhaft-stylischen Kaschemme, die man nur als Teil
der Wirklichkeit ignorieren konnte. Dabei suchten mich böse Backflashs heim –
ich hatte den Flughafen bei meinem ersten Kurzbesuch in der Stadt besser kennen
gelernt, als mir lieb gewesen wäre:
Backflash
Nach einer katastrophalen Nacht, die eigentlich
nur dazu hatte dienen sollen, einen Anschlussflug zu erreichen und stattdessen
einige Charakterzüge an mir zu Tage gefördert hatte, die man unverzüglich
amputieren sollte, hatte ich meinen Flug verpasst. Und das völlig zu Recht! Seitdem
weiß ich, wie es sich anfühlt, vor einer Servicekraft von Air Berlin zu stehen, die den armen Irren vor ihr geflissentlich
ignoriert, wirre Kommandos in ein Walkie-Talkie bellt und ihn mit
Todesverachtung straft, weil er sich die Blöße gibt, in seinem verlotterten
Zustand zum verzweifelten Bittsteller zu werden, um doch noch an Bord der
Maschine zu kommen.. Die letzte Fassade meiner Würde bröckelte bedenklich. Air
Berlin kannte keine Gnade - irgendwann werde ich mich fürchterlich rächen –
wobei die mit ihrem neuen Flughafen genug gestraft sind. Außerdem war ich
selbst schuld; oder die Typen im Hotel, die mich nicht geweckt hatten; und das
nur weil sie der Überzeugung waren, dass ich bereits wach war, als ich nach
einer schlaflosen Nacht zur besten Frühstückszeit hereingeschneit kam – nur um
kurze Zeit später gewahr zu werden, was für einen Bockmist ich in der Nacht
fabriziert hatte und bei dem Versuch einzelne Passagen - vor dem Einschlagen
des unweigerlich folgenden Holzhammers - schriftlich zu fixieren, bevor sie auf
ewig in den Orkus der Bedeutungslosigkeit hinabsinken würden, in einen
Sekundenschlaf geriet, der eben nicht einige Sekunden anhielt, sondern zu
meinem Entsetzen zu einem Kurzzeitkoma von zwei Stunden geführt hatte. Das
realisierte ich, als ich mich unter die Dusche begeben wollte und notgedrungen
eine Unterhaltung mithörte. Der folgende Taumel, das eilig zusammengeraffte
Gepäck, hastiges Auschecken sowie das Chartern eines Taxis, das sich trotz
meiner emsigen Bemühungen nicht in einen Düsenjet verwandeln wollte, hatte
nichts genützt. Ich stand vor dem Nichts.
Vielleicht spürt die Dame am Service-Schalter,
dass ich dabei bin, mich in eine tickende Zeitbombe zu verwandeln und sie
verkündet mir großmütig, man könne mir aus Kulanzgründen eine Umbuchung für den
nächsten Tag gegen die Gebühr des halben Flugpreises zugestehen - vielleicht konnte
man ja an dem Irren nochmal verdienen, wenn er wieder klar im Kopf war und man
erspart sich eine Randexistenz voreilig zu vernichten. Jetzt musste ich nur
noch Geld stehlen. Am Abend zuvor hatte ich schließlich bei einer unglücklichen
Transaktion infolge der zu raschen Abfolge verschiedener Währungen in den
letzten Monaten um eine Null vertan und anstatt der verbliebenen 10 Euro mehr
abgehoben als mir noch zustand. Nicht ganz unmaßgeblich dürfte auch der
einsetzende Hirnfick gewesen sein, der aufgrund der herrschenden 40 Grad, einer
gefühlten Luftfeuchtigkeit von 99% und einer aufkommenden Euphorie, das ich
auch diese Reise gemeistert hatte, rasant an Fahrt gewann. Auch der Genuss
eines süffigen Weißweins, den ein gewiefter Schweineficker in Form einer
Bierflasche verkaufte (womit er mich gekriegt hatte; denn an jedem Ort
probierte ich die exotischsten Biere) war nicht hilfreich. Diesen Fehler hatte ich zu allem Überfluss auch
noch als Wink des Schicksals verstanden und das hatte eine neue Stufe der
Eskalation eingeleitet. In den wirren und schwer zu entziffernden
Aufzeichnungen dieses Abends, prangt eine Bemerkung zu dieser Erleuchtung: it`s a coconutyoga`s world. Armer Irrer!
Eigentlich müsste meine Bank doch kooperativ sein
und der Automat erneut ein wenig Geld ausspucken. Schließlich tut sie auch als
Immobilienspekulant im neuen Herz Europas hervor, bei der Stützung von
Nahrungsmittelpreisen (…) und bei Geschäften mit hirnamputierten Arschlöchern
(Zitat eines Lehrers auf einem humanistischen Gymnasium über den Autor dieses
Text, der damals zehn Jahre alt war…), die mit Wasserwerfern Wahlkampf machen.
Doch der Bankautomat lachte mich höhnisch an: Hier hast Du keinen Kredit mehr, Du
asozialer Herumstreicher! Wärst nicht auf Reisen gegangen und hättest wie jeder
anständige Mensch weitergearbeitet, dann hätten wir Dir den Dispo nicht
gestrichen – „dämlicher Arsch!“, murmelte ich, doch der nächste Automat ist
nicht besser erzogen. So muss ich anerkennen, welch trostlose Bedeutung ein
seelenloses Flughafengebäude für einen Gestrandeten in solch einer Stunde
gewinnen kann. Lost in Transition!
Würde mich eine Fabrik in Bangkok anstellen? Panik kommt in mir auf – ja, ich
hatte es endgültig zu weit getrieben. Ich war doch ein hoffnungsloser Fall! In
einem Anfall von Wahnsinn muss ich mir verkneifen, als Belohnung für meine
Heldentaten der vergangenen Nacht meinen Kopf an der nächsten Scheibe blutig zu
schlagen oder durch wütendes Gebrüll die Aufmerksamkeit der Security auf mich
zu lenken. Was war ich nur für ein erbärmlicher Idiot! Doch so schnell der
Wahnsinn angeflutet war – so schnell verebbte er wieder. Ich erinnerte mich an
all die schönen Erlebnisse der letzten Monate und beschloss meine Reise nicht
auf solch unwürdige Weise zu beenden. Ich atmete tief durch und eine lässige
Ruhe, die der Situation seltsam unangemessen erschien und meinerseits zu einem
dümmlichen Grinsen führte, kehrte zurück. Wenn bipolare Menschen auf Reisen
gehen, gibt es eben viel zu erzählen. Das würde wohl nicht der letzte Fehler in
meinem Leben sein. Dafür war ich Erfahrungsmillionär. Nun hieß es durch den
massiven Konsum von Koffein und Nikotin wieder einen klaren Kopf zu kriegen und
einen Weg zu finden, um wieder aufzustehen. Dafür würde ich Hilfe brauchen.
Den höllischen Kater in meinem Schädel hatte ich
zwischenzeitlich vergessen. Das Adrenalin, das sich während der Taxifahrt zum
Flughafen in mir aufgestaut hatte, hätte sicher gereicht, um mit einem
Jagdbomber einmal um die Welt zu fliegen - mit einem debilen Lächeln im
Gesicht. Da musste ich nun wieder anknüpfen.
Infolge einiger Telefonate, die ich von einem Internetcafe
führte, konnte ich dankbar registrieren, dass es im weit entfernten Europa
Menschen gibt, die mich trotz meiner Allüren noch immer mögen und mir
beispringen würden. Schon während der Gespräche war ich wieder zum Scherzen
aufgelegt, schließlich wurde ich als Überraschungsgast auf einer
Geburtstagsparty im schweizerischen Jura erwartet, für die ich aus Bali anreiste.
Danach war ich wieder in der Lage, mich ganz
meinen Kopfschmerzen hinzugeben. Im Flughafenbus fuhr ich erneut in die Stadt
und stieg mit meinen letzten Groschen wieder im selben Hostel ab – schlimmer konnte
es ohnehin nicht werden. Den Rest des Tages verbrachte ich in einem
buddhistischen Tempel. Immer wieder kamen furchtbare Gedankenfetzen der letzten
Nacht in mein Bewusstsein. Was war ich nur für ein grausamer Bastard! Eben
hatte ich noch stundenlang mit einem taubstummen Thai über das Leben
philosophiert und schon wurde ich (begünstigt durch unsere Ankunft auf der
Kasoan Road) in einen finsteren Abgrund hinabgezogen. Das Schlimmste war: dort
fühlte ich mich pudelwohl. Zeit, um Buße zu tun! Neben mir stimmten die Mönche
ihre Mantras an und ich saß in tiefer Einkehr neben ihnen und versuchte die entsetzlichen
Erinnerungen zu vertreiben, die ich aufgrund meiner massiven Zellenvernichtung
bereits verloren hoffte, und entschuldigte mich ganz im Stillen für meine
grenzenlose Dummheit und war schließlich dankbar, dass der zweite Teil meiner
Reise nicht mit einem solchen Absturz endete, sondern ich noch in der Lage war
zu bereuen und mit einem Rest von Würde heimzukehren. Irgendeinen Kredit
brauchte ich schließlich…
Bangkok
reloaded
Um Chris ein adäquates Bild der Stadt liefern zu
können, blieb nur erneut in den Abgrund der Hölle zu steigen: die Kaosan Road. Eine Ausgeburt des Lonely
Planet – dem man nur noch folgen sollte, wenn man Einsamkeit hasst. Hätten
deren Autoren nicht davon geschwafelt, dass diese Straße the place to be wäre, würde sich keine Sau für diese Straße
interessieren. Dabei wäre es wohl besser geblieben. Doch welcher anderen
Nachbarschaft wollte man dieses Schicksal wünschen?
Konnte man den Zirkus nicht wenigstens konsequenter einzäunen und Warnschilder anbringen? |
Um das Niveau weiter zu senken, checkten wir in
eine Massenunterkunft ein, die sich Mom`s
Guestouse oder ähnlich schimpfte und direkt auf die berüchtigte Straße
wies. Im Gegensatz dazu, könnte die Reeperbahn jederzeit als
UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet werden. Auch die widerlichen Ecken.
Es ist nicht gerade einfach bei ohrenbetäubender Elektro-Mucke zu schlafen und
dennoch verbrachten wir drei Nächte dort. Nun hatte ich also Gelegenheit,
diesen Sündenpfuhl einem Freund zu zeigen; das war immer ein Manko gewesen:
zuhause konnte keiner nachvollziehen, was ich unterwegs erlebt hatte; viel
lieber hätte ich mich mit ihm in Indien getroffen; seine Wahl war aber auf
Thailand gefallen; immerhin hatte er bei Coconutyoga
Travels gebucht – auch wenn meine Beschäftigung bei dieser ominösen Firma
eine rein ehrenamtliche Beschäftigung war. Die Zeit war einfach noch nicht
reif. Die Hochglanzbroschüre meiner noch zu gründenden Reiseagentur lag gedanklich
schon vor mir: „should you survive, you got some great stories to tell - if
not – don`t blame the guide!“
Ich will nicht verhehlen, dass es mir eine irre
Freude bereitete, zu sehen, wie das unheilige Treiben in der völlig
überkommerzialisierten Kasoan Road auf ihn wirken würde: mit den grellen Neonlichtern,
der Kakophonie des Straßenlärms, der Einpeitscher, Verkäufer und dröhnender
Bässe, dem köstlichen Straßenessen, so ziemlich allen Produkten die den wirren
und weniger wirren Marketingexperten der Weltgeschichte eingefallen waren: von
Kitsch aller Art, über Kleidung, Elektronik, Accessoires bis hin zu gefälschten
Führerscheinen und Studentenausweisen oder Masken von Saddam Hussein oder Osama
Bin Laden. Natürlich kann man sich auch vor Ort Rastas machen lassen oder Tattoos
stechen und sich von Fischen anknabbern lassen. Garniert wird das Spektakel
(das hier nur im Ansatz beschrieben ist) durch das Anpreisen von Flatrate-Saufen,
Angeboten aller Art aus dem leichten Gewerbe und durchtriebenen Gestalten, die
einem ins Ohr raunen: Ping-Pong, Sir?
Die Preisliste dieser Marketinggenies bestand aus
Gegenständen, die wir aussuchen sollten, woraufhin sie von einer uns nicht
näher bekannten Frau in ihre Geschlechtsöffnungen gesteckt wurden. Ich will
nicht ins Detail gehen. Aber das war ekelerregend. Und wie konnte man diese
indiskutable Einladung mit einem Sir
abschließen? Vielleicht waren die Gentlemen schlicht ausgestorben. Nachdem das
nicht zog, wurde das Angebot noch wesentlich subtiler: you like Boom, Boom?
Schmierig grinste uns der missratene Typ von der Seite an. Schwer zu
beschreiben, wie übel einem in solche einem Moment werden kann; man ist hin und
hergerissen zwischen handfestem Ekel und einer Form von morbider Faszination,
das sich ein solcher Ort wirklich auf Längen- und Breitengraden materialisiert
hatte.
Einmal habe ich erlebt wie ein junger Inder von
einigen üblen Zuhältern unter Anfeuerungsrufen mitten in der Menge verprügelt
wurde, weil er nicht zahlen wollte. Er setzte darauf, seine Peiniger mit dem
Argument, er habe an ein Liebesarrangement geglaubt, zu beschwichtigen.
Dummerweise konnte man in seinem Gesicht lesen, dass er dieser dümmlichen
Argumentation selbst nicht glaubte. Es war einfach zu bemitleidenswert und so
setzte ich mich für ihn ein. Der schmächtige Bursche war ohnehin hoffnungslos
unterlegen und hatte bereits eine heftige Abreibung erhalten und er würde es
ohnehin nicht lange überleben, wenn er aus dieser Episode keine Schlüsse ziehen
konnte; kurze Zeit später ließen sie von ihm ab; wie ein Hund wollte er sich an
meine Fersen heften und Sekunden später war ich selbst angeekelt von seiner
schmierigen Unterwürfigkeit und legte ihm nahe, eine andere Richtung
einzuschlagen. Dies war in jedem Fall ein Ort heimtückischer Versuchung. Kein
Wunder, dass man leicht den Verstand verlieren konnte und Katastrophen
eintreten konnten, wenn man sich an solch einem zwielichtigen Ort, an dem die
Oberfläche des Scheins nur wenige Millimeter dick war, betrank und sich gehen
ließ. Das würde mir nie wieder passieren. In gewisser Weise empfand ich das
Treiben nach den Tagen in Bombay sogar entspannt, was wieder einmal zeigt, wie
erheblich sich der Blickwinkel auf langen Reisen verändern kann.
Chris war zwischen Faszination und Befremden hin
und hergerissen. Die extreme Ambivalenz dieses Ortes war dafür wie geschaffen.
Einem Neuankömmling bietet dieser Ort einen einfachen Start: die Preise für
Hotels und Essen sind deutlich ausgeschrieben und die Orientierung fällt nicht
allzu schwer. Dagegen war Indien eine völlig fremde Welt.
Ich muss sogar zugeben, dass ich zu dieser Stadt
mehr Verbindung aufgebaut habe als zu den anderen asiatischen Metropolen, denen
ich einen Besuch abgestattet habe; das ist im Übrigen eine überschaubare Zahl;
mich zieht es nicht unbedingt in Großstädte.
In Bangkok fühlte ich mich zwar auch fremd, aber
weit weniger verloren, als das stellenweise in Delhi, Bombay oder Kathmandu der
Fall gewesen war.
Als ich den Bericht Tiziano Terzanis über die
rasante Veränderung in Krung Thep, der Stadt der Engel las, verstand ich warum
es mir in Bangkok so schwer fiel, mich wirklich wohl zu fühlen, wenn nicht
gerade der Mythos des Orients meine Gedanken umnebelte. Durch den rasanten
„Fortschritt“ hatte sich das Stadtbild innerhalb kürzester Zeit komplett verändert.
Die alte Bausubstanz verschwand zum großen Teil und wurde durch eine Skyline
ersetzt, mit der auch die Frischluftschneisen wegfielen, die das Klima in der
tropischen Stadt erträglich hielten. Daraus assoziierte Terzani den Fall der
Engel. Ich frage mich, was Terzani wohl sagen würde, wenn er das heutige
Stadtbild sehen könnte und die Ausprägung des toxischen Verkehrs, der einem den
Atem raubt. Von den Hochstraßen, der unglaublichen Kommerzialisierung und den
Auswüchsen der Prostitution ganz zu schweigen. Die Kaosan Road mit den Pools
auf den Dächern der Hotels, der Dauerbeschallung mit ohrenbetäubender
Technomusik bis in die Morgenstunden und einer Eimer-„kultur“, die alles was
ich zuvor gesehen hatte in den Schatten stellte, hätte bei ihm wohl Assoziationen
mit der Hölle wachgerufen. Mir ging es so – obgleich ich wusste, dass sich
dieser künstliche Ort auch bei vielen Thais steigender Beliebtheit erfreut.
Erst am dritten Tag unseres Aufenthalts gelang es
uns angesichts der reizüberflutenden Umgebung etwas Anständiges zu tun. Wir
besichtigten den Königspalast mit dem Emerald
Buddha Temple. Die Anlage ist zweifellos beeindruckend – zeugt aber mit
seinen vergoldeten Fassaden von einem Prunksucht, die uns schwer auf den Magen
schlug.
Im Anschluss zeigte ich Chris das Wat Pho, eine weitere Tempelanlage, die ich weitaus angenehmer finde. Dort hatte ich nach meiner Katastrophennacht Buße getan. Hierher verirrten sich deutlich weniger Touristen und so konnten wir die Atmosphäre des Geländes viel tiefer auf uns wirken lassen. Um nicht die Übung zu verlieren, erklommen wir nach einer Bootsfahrt über den Hauptstrom Chao Phraya die extrem steilen Stufen des Wat Arun. Von dort aus hat man einen wunderbaren Blick auf den Sonnenuntergang über der Stadt mit ihren Kanälen, ihren buddhistischen und Geschäftstempeln.
Im Anschluss zeigte ich Chris das Wat Pho, eine weitere Tempelanlage, die ich weitaus angenehmer finde. Dort hatte ich nach meiner Katastrophennacht Buße getan. Hierher verirrten sich deutlich weniger Touristen und so konnten wir die Atmosphäre des Geländes viel tiefer auf uns wirken lassen. Um nicht die Übung zu verlieren, erklommen wir nach einer Bootsfahrt über den Hauptstrom Chao Phraya die extrem steilen Stufen des Wat Arun. Von dort aus hat man einen wunderbaren Blick auf den Sonnenuntergang über der Stadt mit ihren Kanälen, ihren buddhistischen und Geschäftstempeln.
Nach einem Curry überredete mich Chris zu einem Ausflug zum
Muay Thai-Boxen im Lumbini-Stadium. Wir charterten ein Tuk-Tuk und fuhren durch
die halbe Stadt – die letzten Kilometer präsentierten sich uns endlose und
glitzernde Shoppingmeilen. Hier war der Tigersprung
vollendet. Wir waren spät dran und mussten einen geradezu unverschämten Eintritt
bezahlen. Keiner von uns hatte jemals einen Boxkampf beigewohnt und besonders einer
der Kämpfe war wirklich packend und ausgeglichen. Die beiden Kämpfer sahen
nicht mal übermäßig kräftig aus. Aber jeder ihrer Kicks mit ihren Füßen und
ihren Knien hätte bei uns für unbestimmte Zeit das Licht ausgeblasen. Sie
besaßen unglaubliche Nehmerqualitäten. Wir wagten kaum, uns das dazugehörige
Training auszumalen.
Als wir das Boxstadium verließen, wollten uns die
Tuk-Tuk-Fahrer nur für völlig überteuerte Preise zurück zum Hotel bringen.
Darauf wollte ich mich keinesfalls einlassen. So nahm ich kurzerhand das
günstige Angebot eines Scooterfahrers an, uns beide auf dem Rücksitz
mitzunehmen. Chris hielt das für einen schlechten Scherz, was ihm angesichts
des mickrigen Gefährts kaum zu verdenken war. Da musste er nun durch. Ich war
der Reiseleiter. Es war eine durchaus lustige Fahrt, was wir durch das
lautstarke Singen von eisgekühlter
Bombulunder von den Toten Hosen
unterstreichen wollten, was zu einiger Irritation unter den anderen
Verkehrsteilnehmern führte. Doch die Menschen in Bangkok waren schlimmeres
gewöhnt und zu unserer Ehrenrettung muss ich sagen, dass wir das auch zuhause
getan hätten…
Zurück in der Kasoan Road tranken wir noch ein
paar Bierchen und beobachteten ein paar mutige jugendliche Thais, die
Breakdance auf dem harten Asphalt zelebrierten.
Doch schließlich ließ sich ein weiterer Aufenthalt
auch unter soziologischen Gründen nicht mehr rechtfertigen und so beschlossen
wir unser Karma endgültig zu versauen und nach Ko Samui zu reisen. Wie hatte
ich nur Chris die Wahl lassen können? Vielleicht hätte ich als Reiseleiter eine
gemäßigte Diktatur durchsetzen sollen….
Jedenfalls waren wir froh, das Treiben endlich
hinter uns zu lassen und bestiegen einen Nachtbus gen Süden. Wie nicht anders
zu erwarten war, bot diese Art des Transports wenig Erholung – um es vorsichtig
auszudrücken. Um die weiteren Abgründe auszuloten, bietet sich immer der Kauf
einer Package-Tour an – einer Rundum-sorglos-Versorgung. Der Nachteil? Bei
solchen Dumpingpreisen konnte man nichts anderes erwarten als wie ein Stück
Vieh behandelt zu werden. Zudem kam man in den Genuss von bunten Bändchen,
dummem Rumstehen und noch dämlicheren Ansprachen über das Procedere – immer
untermalt von einer grenzdebilen Kindergartenstimmung. Ein wenig kam ich mir
vor wie auf einer Fahrt nach Mallorca, die ich nie angetreten hatte, weil ich
zu klug war, um mich in der Schule verdummen zu lassen. Viele der Mitreisenden
schienen mir überdrehte, pubertäre Beautyköniginnen und picklige Schweden zu
sein, die ein Praktikum beim Abenteuer machten und sich als die schlitzohrigste
Typen des ganzen Erdballs feierten. Doch das sollte mich nicht weiter stören;
schließlich waren wir zu zweit und ich musste keine Kontakte knüpfen, die ich
doch nur bereut hätte. Unterwegs gab der Bus seinen Geist auf. Das war insofern
verwunderlich als es sich um ein relativ modernes Modell handelte und nicht mal
die elendsten Möhren auf dem indischen Subkontinent jemals aufgegeben hatten.
Wenigstens ließ sich die unbestimmt andauernde Pause zum Konsum eines Joints
nutzen. Das Gras hatten wir auf etwas obskurem Weg in einer Harley-Bar
erstanden.
In den Morgenstunden warteten weitere sinnlose
Buswechsel und dummes Warten auf uns und wir wurden mit Splatterfilmen und
hirnrissigen Agentenfilmen mit kalter-Krieg-Rhetorik gequält. Der
ohrenbetäubende Lärm bildete einen extremen Kontrast zu der friedlichen
Landschaft mit ihren Karstfelsen die aus nebligen Tropenlandschaften
herausragten. Nicht unweit war auch der Film the beach gedreht worden – wie naheliegend die Wahl dieses Orts für
den Roman gewesen war, wird sich dem geneigten Leser möglicherweise in diesem
Artikel erschließen. Faszinierend, dass viele junge Leute den Film sehen, ohne
zu begreifen, was er ihnen eigentlich sagen sollte.
Schließlich erreichten wir den Pier. Die Fähre war
mit einer wahnsinnigen Anzahl von Touristen beladen, die sie auf drei Inseln im
Golf von Thailand ausspucken würde. Ohne Interesse für die Belastungskapazität
wurden unzählige Koffer auf den Kahn geworfen – als wollte man ihn vorsätzlich
zum Absaufen bringen. Unser Untergang aufgrund des übermäßigen Gewichts, das
wir bei uns trugen, wäre eine schöne Metapher gewesen – aber für den Fortgang
der Geschichte unglücklich.
Ko
Samui
Nach der Ankunft ließen wir uns Zeit um den Massen
einen fairen Vorsprung zu geben und fanden uns kurze Zeit später in einem Cafe
am Pier wieder – wir wollten es langsam angehen lassen. Als die Anlegestelle
wieder in dem Dämmerschlaf befand, in dem sie wohl meist lag, wenn sie nicht
gerade von einer Horde glückssüchtiger Ritter heimgesucht wurde, machten wir
uns auf, um einen der Pick-Ups zu erwischen, die mit zwei Bänken als Aufbauten
als Massentaxis eingesetzt wurden. Wir hatten dem Fahrer den Strand genannt,
auf den Chris und ich uns geeinigt hatten -
doch das schien ihn wenig zu kümmern und so zwang ich ihn zum Halt, als
wir unseren Zielort definitiv passiert hatten. Wir befanden uns bereits am
nächsten Strand, der durch eine Landzunge von dem gewünschten getrennt wurde. Ich
hielt es für eine ausgezeichnete Idee, mit den Rucksäcken die paar Kilometer
zurückzulaufen. Chris nicht. Doch dann hätten wir eine Begegnung der besonderen
Art verpasst. Als wir auf verschlungenen Wegen die Landzunge erreichten,
mussten wir feststellen, dass wir offensichtlich auf einem Privatstrand eines tödlich
schicken Resorts befanden, bei dem die Preise dreistellig waren (und ich meine
nicht Baht…). Ich glaube, dass wir selten in unserem Leben so unerwünscht
waren; In den Liegestühlen lümmelte die Schickeria vor ihren Lifestyle-Cocktails
und genoss ihr sorgenloses Leben. Irgendwann muss man sich ja auch von Golf und
Tennis erholen. FREAKS unserer Coleur ernteten von der Mischung aus Neureichen
und Geldadel böse Blicke, dass wir gewagt hatten, in ihre heile Welt
einzubrechen. Mit den schweren Rucksäcken auf dem Rücken, nicht ihrem Stand
entsprechenden und allgemein indiskutablen Hippieklammotten und den dämlichen
Hüten auf dem Kopf, stammten wir aus einer anderen Welt. Um nicht von
heimtückischen Securitytypen zusammengedroschen zu werden, beschlossen wir auf
ein provokatives Bad vor ihren Augen zu verzichten und setzten unseren Weg fort
und warfen unseren unfreiwilligen Gastgebern verschwörerische Blicke zu. Die
stummen Antworten waren eisig. Es gab lediglich einen Typen in der Strandbar,
der uns freudig zuwinkte. Er war aufgrund der offensichtlichen Langweile an
diesem Ort wohl dankbar für jede Abwechslung und ohnehin betrunken.
Schließlich erreichten wir unseren Strand und
der Kontrast hätte kaum größer sein können; waren wir eben noch durch ein Reich
der Dekadenz gestolpert, prägten nun verfallende Holzhütten das Bild. Nachdem
wir das zweite postapokalyptische Hütten-Ensemble passiert hatten, schien es
dort doch so etwas wie Leben zu geben. Ich hatte die Schnauze von der ewigen
Hotelsuche voll und bat Chris den Job zu übernehmen. Wenig später kam er zurück
und hatte eine Hütte klar gemacht. Es gab zwar keinen Strom – aber wer brauchte
das schon. Dennoch war ich zunächst wenig begeistert. Das hatte weniger mit dem
Ort selbst zu tun, als vielmehr mit dem deutschen Lokalkolorit, der uns
entgegenschlug. Normalerweise meide ich solche Enklaven wie der Teufel das
Weihwasser. Aber der einzige Weg, um auf dieser Insel Landsleuten zu entgehen,
war, nicht hinzureisen. Noch heute frage ich mich, warum ich zugestimmt hatte,
hierher zu kommen, aber aus Gonzo-journalistischen Gründen war das wohl
notwendig gewesen. Die mündliche Überlieferung aus der Mythologie der
Aussteiger stützte die These des Reiseführers, dass es sich hierbei um einen
Flecken Land handelte, der sich etwas vom ursprünglichen Charme der Insel
bewahrt hatte. Unsere Hütte war geräumig und die Betten gemütlich. Wir bekamen
eine Gaslampe, um nicht völlig in Dunklen da zu stehen. Ein Sternenhimmel an
einem Ort ohne Lichtverschmutzung ist keineswegs zu verachten. Und wer kann
schon behaupten, dass in seiner Unterkunft Fledermäuse hausen? Das Morning Glory. Ausnahmsweise nenne ich
mal einen Ort, an dem ich abgestiegen bin - denn es gibt ihn nicht mehr und der
Name passt bestens zu der Geschichte. Denn neben der Bezeichnung für
Wasserspinat und ein Musik-Album von Oasis handelt es sich um den Szenenamen
einer rituellen Droge, die schon von den Maya und mexikanischen Indianer
genutzt wurde. Wohingegen ich inständig bete, dass der Slangausdruck für die
Morgenlatte nicht Vater des Gedankens war!
Das Morning Glory besaß eine gemütliche Terrasse
direkt am Meer und dieser Strandabschnitt war komplett ausgestorben. Da wir die
alleinigen Gäste waren, hatten wir nun ebenfalls einen Privatstrand. Nach dem
turbulenten Bangkok war das für uns genau das Richtige. Fortan waren wir von
einer paradiesischen Ruhe umgeben, in der das Rauschen des Meeres noch eines
der lauteren Geräusche war. Einzig ungünstig war die Tatsache, dass es keine
Küche gab. Offensichtlich lag der Ort in seinen letzten Zügen. Erst ein
15-minütiger Fußmarsch brachte einen zur Hauptstraße, an der sich einige
Restaurants befanden. An dieser Stelle eine Warnung: esst nie tausendjährigen
Eiersalat – er schmeckt auch so!
Schließlich verbrachten wir eine entspannte Woche
am Strand. Außer Schwimmen, Lesen und gelegentlichen Streifzügen, um das Verhungern
zu vermeiden, faulenzten wir nur. Das Morning Glory hatte immerhin Alkoholika,
was die gelegentlichen Besuche zwielichtiger Gestalten aus der Aussteigerszene
erträglich machte. Da der Gast König war, wurde zu unseren Ehren eine Packung
Instant-Kaffeepulver gekauft und so konnten wir morgens eine dünne Brühe Muckefuck
genießen. Gelegentlich spielten wir auf dem völlig verratzten Billardtisch oder
sahen uns in der skurrilen Devotionalienhalle um, die von einem verstörenden
Lokalpatriotismus und den Eskapaden einer ganzen Generation von Aussteigern
berichteten. Tagsüber dudelte durchaus hörbare Musik aus einer
batteriebetriebenen Anlage – mit einer Einschränkung. No Tracy Chapman erlaubt! grüßte es von der Wand; ich bezweifle,
dass die Gute sich hierher verirren würde. Die gelegentlichen Gespräche, in die
wir verwickelt wurden oder die sich aufgrund ihrer Schrägheit nicht überhören
ließen, waren so skurril, das ich den Inhalt der Gespräche unmittelbar
verdrängt haben muss. Die junge Frau, die den Laden aktuell schmiss, war hingegen
ausgesprochen sympathisch. Vom Chef fehlte jede Spur. Unsere kurzen Ausflüge in
den nahe gelegenen Ort waren wenig bereichernd. Auf der Hauptstraße begrüßte
uns ein Schild mit der Aufschrift: Tourist
Police – your first friend - "hopefully
not your last one!" dachten wir uns im Stillen.
Die Insel war überentwickelt
und die offensichtliche Ausprägung der Prostitution fanden wir abstoßend. An
der Hauptstraße liefen wir an unzähligen Bars vorbei, die nur von Frauen
bevölkert waren, die auf ein dürftiges Einkommen hofften. Wenn ich manche der
Typen sah, die offensichtlich zur Stammkundschaft gehörten, wollte ich spontan
kotzen. Ebenfalls verstörend waren die zahlreichen Fische in Aquarien, die mit
einem speziellen Mega-Head-Granulat gefüttert wurden; meine Frage, warum man
den armen Kreaturen (denn das Zeug wirkte vorzüglich und die Fische konnten
aufgrund mangelnder Koordination infolge ihres überdimensionalen Kopfes oft nicht vor der Kehrtwende am Ende ihrer Bahn im Schwimmbecken
stoppen und knallten mit einem für Fische beunruhigenden Lärm gegen den
Glasscheibe) wurde mit einem vagen for the
good luck beantwortet. Irgendwann werden die noch weiter mutieren und
blutige Rache nehmen! Unseren Segen hatten sie jedenfalls.
Auch der Ausflug an
den angeblich schönsten Strand der Insel, ließ uns ein wenig verstört zurück. Hier
waren die Leiber dicht auf dicht gedrängt und selbst die Palmen machten es
schwer, zu realisieren, dass dies eine Insel war, die in Thailand lag und vor
dem massenhaften Zuzug von Auswanderern und den einsetzenden Touristenströmen
ein kleines Paradies gewesen sein muss. Inzwischen hatte sie ihren eigenen
Flughafen. Es erschien uns alles so austauschbar. Wir hätten genauso gut in Antalya oder an der Costa Brava sein können – wenn ich das Klientel, die verfügbaren
Waren, die Musik und den Lifestyle betrachtete. Schlagen sie zu - die Kultur
ist im Winterschlussverkauf! Wir liefen den gesamten Strandabschnitt ab, ohne
irgendwo einzukehren. Schließlich verirrten wir und in einem Touristenghetto,
das so weitläufig war, das wir kaum mehr herausfanden. Aufgrund der Dekadenz der
Ressorts, die wir durchstreiften, wurden wir von einem Schub spontaner
Hoffnungslosigkeit für die Zukunft unserer Spezies heimgesucht. So war es eine
Wohltat an den Strandabschnitt zurückzukehren, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Sollten doch die angesagten Typen an den angesagten Orten die Liegeplätze unter
sich ausmachen!
Full
Moon mit Vollhorst
Wir hatten schon fast beschlossen, die
berühmt-berüchtigte Full-Moon-Party auf der Nachbarinsel Ko Pha Ngan sausen zu
lassen, als wir einen Nachbar bekamen – Dirk. Er plante unbedingt dorthin zu
fahren und wir beschlossen, uns mit ihm zusammen zu tun. Wir buchten ein
Kombiticket, so dass wir am Morgen nach der Party wieder nach Ko Samui
zurückkehren würden.
Mit einer beachtlichen Menge Partygängern fuhren
wir zum Sonnenuntergang auf einem Schnellboot nach Ko Pha Ngan. Das Gleiten
über dem Wasser und die Reflexion der untergehenden Sonne auf den Wellen des
Meers war eine schöne Einstimmung und als die einladende Silhouette der
bewaldeten Nachbarinsel auftauchte, waren wir ein wenig euphorisch. Das legte
sich nach der Ankunft am Pier schnell wieder. Wir waren keine Idioten und
wussten, dass die Party zu einem großen Event geworden war, doch die Ausprägung
und die Stromlinienförmigkeit des Events
waren durchaus verstörend. Um an den Hat-Rin-Strand zu gelangen, mussten wir die
engen Gassen des mäßig einladenden Ortes passieren, in dem es so ziemlich jedes
erdenkliche Souvenir zu erstehen war. Kleidung, Accessoires, Leuchtfarben und
Tattoos warteten auf ihren neuen Besitzer. Viele Gäste waren in einem
Kaufrausch, was die Massen an Konsumgütern durchaus rechtfertigte und sahen
dank Leucht-Tattoos und Körperfarben aus, als seien sie direkt vom Mars
eingeflogen. Dazu waren riesige Büffets mit allen erdenklichen Speisen
aufgefahren. Alleine um die Fischvariationen bis hin zum Babyhai aufzutischen,
hatte man wohl das ganze Meer um die Insel leergefischt. Glücklicherweise
hatten wir uns auf dem Hinweg mit ephedrinhaltigem Whiskey-Cola und Energydrinks
gestärkt - sonst wären wir noch mehr abgeturnt gewesen.
Bis zum nächsten Morgen würden uns 12 Stunden
bleiben, um das Treiben anzusehen und Teil davon zu werden. Auch hier hatte die
„Eimer-Kultur“ eingezogen. Whiskey, Wodka und Gin bis zum Abwinken. Als wüsste
ich nicht, warum ich nie nach Mallorca wollte, jetzt holte mich diese ekelhafte
Sitte in Thailand ein…
Wir erkundeten das Gelände und waren ein wenig
überrascht, wie überschaubar der Strand war, an dem die eigentliche Party
stieg. Noch war nicht viel los, was gut war, um uns ein Bild der ganzen Location zu machen. Da wir keinen Platz
fanden, an dem wir uns häuslich niederlassen wollten, zogen wir streunend durch
die Gegend.
Zwischen 22:00 und Mitternacht füllte sich das
Gelände und um 2 Uhr war es extrem überlaufen - an einem Ende des Strandes
konnte man sich kaum noch bewegen. Hierher zog es uns ohnehin nicht – die Party
schien oberflächlich betrachtet eine gewisse Zweiteilung aufzuweisen: der eine
Teil wurde von Hippies und Goafreaks bevölkert, der andere von aggressiven,
durchgeknallten Typen, von denen sich eine ganze Reihe den falschen Drogenmix
gegönnt hatte. Wir waren schließlich nicht bei einer Satanisten-Sekte.
Angesichts der Unübersichtlichkeit brauchte es einfache Weltbilder…
Ich hatte den Eindruck, dass die Party zu viele
junge Leute anzog, zu deren Pflichten es einfach gehörte auf ihrer travel on a shoestring auch hier
vorbeizukommen – eine Frage der Ehre. Ob es wirklich der Knüller ist, beim
Seilhüpfen ein brennendes Seil zu verwenden, sei mal dahingestellt. Sich trotz heftiger
Verbrennungen immer wieder hinein zu begeben, erschien mir pathologisch. Weit
und breit war kein Fight club zu
sehen. Also konnte es sich nur um Retardierungen in Kombination mit
abgestorbenen Sinneszellen handeln. Destruktives Gesindel!
Da es an einzelnen Stellen auch
Magic-Mushroom-Shakes im Angebot gab, war es nur eine Frage der Zeit bis wir
schwach wurden. Die Effekte sollten nicht unbemerkt bleiben. Wie gewöhnlich
nach der Einnahme von psychedelischen Drogen, brauchte ich ein wenig, um auf
den richtigen Pfad zu finden. So suchte ich mir den (nur im Verhältnis)
ruhigsten Ort am Strand und beobachtete erst mal die Szenerie: An mir schritten
wild bemalte Menschen vorbei. Sie trugen überdimensionierte Brillen und
merkwürdige Kopfbedeckungen. Manche hatten sich in Tiger verwandelt, andere
waren wohl auf dem Weg zu einem Gottesdienst der Gothic-Jünger; es gab Hippies,
die direkt aus den 60`ern eingeflogen waren und manche waren so unkontrolliert
in den Farbtopf gefallen, dass jegliche Spekulationen über ihre Herkunft
sinnfrei bleiben musste. Die Pilze verstärkten diese Eindrücke. Fasziniert
beobachteten wir den Felsen, der am Ende des Strandes wie ein Raumschiff
illuminiert war. Auf ihm thronten unwirklich erscheinende Bars, die Chis als
eine Plattform im Videospiel Donkey-Kong-Island wiedererkannte. Auch die Affen
fehlten nicht.
Der Trip kam ihn Wellen. Chris verwandelte sich in
einen grinsenden Gummiball. Seine Kinn- und Mundpartie verzog sich zu einer
Herzform; genau diese Energie strahlte auch aus seinem Innern durch seine
Augen. Gepaart mit Wahnsinn. Ein wildfremder Typ kam dahergelaufen und
freundete sich in Sekundenbruchteilen mit Chris an. Höhepunkt dieser
Hochgeschwindigkeitsfreundschaft war die rituelle Übergabe eines gelb
leuchtenden Neonhalsbandes, das Chris feierlich annahm.
Offensichtlich erfüllte ihn diese Geste mit Euphorie
und irrer Freude. Da hatten sich zwei gefunden, um sich kurz darauf wieder auf
ewig zu entfremden. Dirk und ich lachten Tränen angesichts der bizarren und auf
eine seltsame Weise rührende Szene. Was sich darin spiegelte müsste in einem
eigenen Roman erörtert werden, der leider nie geschrieben würde. Dies war das
FREAK-Königreich.
Nachdem ich mich etwas ruhiger fühlte, entschied
ich mich zu einem Spaziergang über den Strand. Einmal in Bewegung, verwandelte
sich meine vorherige Unruhe in ein sehr euphorisches Grundgefühl. Es machte mir
nichts mehr aus, all diese verrückt aussehenden Menschen um mich zu haben. Im
Gegenteil – ich fühlte mich zugehörig. So schlenderte ich den ganzen Strand
entlang. Bei den Satanisten wurde mir die Musik zu heftig; ihr Vibe war
erdrückend. Die extrem wilde Form, in der manche tanzten, erschien fast als
feindseliger Akt. Umso mehr als es fast keinen Platz gab. Ich drehte um.
Inzwischen war ich in einer phantastischen Laune. Ich schlüpfte geschwind
tänzelnd durch die Menschenmenge; nach Reden war mir nicht zumute - ich genoss
es einfach hier zu sein, lauschte der Musik und beobachtete die Menge.
Unglücklicherweise waren Chris und Dirk nach
meiner Rückkehr nicht mehr aufzufinden. Ich war wohl länger weg gewesen, als
gedacht. Sie hatten selbstverständlich Besseres zu tun, als auf mich zu warten,
der ich in fremden Sphären wandelte. Dann feiert halt ohne mich ihr Lutscher!
Gerade am ruhigsten Abschnitt, der mir noch immer
am besten gefiel, zog es naturgemäß immer mehr Leute, die sich einfach zu viel
zugemutet hatten – die Drogen und der Alkohol quollen aus allen Poren. Der Wohlfühlfaktor
nahm ab. Einige waren in einem beängstigenden Zustand und kamen immer nur zeitweise
zu sich und verbrachten die meiste Zeit in einem Dämmerzustand, der ihnen
hoffentlich gut tun würde. Ich hatte das Trinken eingestellt und arbeitete nur
noch gegen die Dehydration.
Ich kam mit einem Kroaten ins Gespräch. Als ich
ihn das erste Mal an diesem Abend gesehen hatte, war er von grenzenloser Euphorie
und kannte nur eine Richtung: direkt geradeaus. Er war so vollgestopft mit
Drogen, das es fast physisch weh tat, ihn anzusehen. Er wollte unablässig auf
die deutsch-kroatische Freundschaft trinken und erzählte Wirres Zeug von seinen
Drogenexzessen mit einem bekannten deutschen DJ und seiner Crew. Er hatte einen
Bungalow direkt am Strand gemietet und war von einer Anzahl von Schönheiten
umgeben. Inzwischen war es mit ihm rasant bergab gegangen
und er schwitzte wie ein Schwein. Er faselte irgendetwas von seiner Freundin,
die ihm seinen Geldbeutel geklaut hatte und tatsächlich rannte da eine
bescheuert grinsende Dame mit dem begehrten Stück in den freien Raum. Probleme
musste man haben!
Der Autor möchts sich an dieser Stelle noch einmal prophylaktisch von jeglichen von ihm geäußerten Aussagen distanzieren |
Ich beschränkte mich auf kurze Ausflüge, um die Bars
auf dem Felsen zu erkunden und hatte mehr und mehr genug von dem ganzen Treiben.
Ich flüchtete mich in philosophische Gedankenspiele. Was waren unsere Motive, die
wir hier gelandet waren als wären wir ein Volk von Aliens. Eigentlich ging es
noch immer um das Gleiche: Love, Peace und Happiness - so abgedroschen das auch
klingen mag.
Die eine
Party gab es nicht mehr. Der Individualismus hatte sich längst in einen Fluch
verwandelt; die Individualisten fanden einfach nicht mehr zueinander. An
verschiedenen Strandabschnitten herrschten andere Subkulturen. Der
amerikanische Traum war zur Konkurrenz aller gegen aller verkommen und die
Wahrhaftigen mit Toleranz sind zu einer aussterbenden Spezies geworden. Das
Mantra: „One world – one love“ machte keinen zum besseren Menschen. Es war hohl
geworden.
Die Mythen
die sich um dieses Event ranken, sind zu banal um niedergeschrieben zu werden;
war die erste Party wirklich eine spontane Geburtstagsfeier gewesen – oder
nicht doch eine ausgeklügelte Marketingidee von den Typen, die uns in den
ganzen Schlamassel eingebrockt hatten?
Viele Goaner waren jedenfalls froh, nicht mehr
ganze Nächte lang der abartigen Musik und den nackten Freaks ohne nennenswerte
Devisen ausgeliefert zu sein. Sie hatten die Full Moon Partys im Jahr 2000
verbannt und in Thailand hatte man sich begeistert die Hände gerieben. Wenn die
Party auf Ko Pha Ngan jemals ein Geheimtipp gewesen sein sollte, hatte sie sich
in einen Alptraum verwandelt; würde sie nicht einen Batzen Geld abwerfen, würde
man uns ekelhaften Typen wohl alle im Meer ersäufen. Heute dürfen sich die Wertkonservativen
auf der Insel über Full, Half, Black
und Shiva Moon freuen; und wenn sie
immer noch nicht genug haben, können sie bei jungle experience parties dabei zusehen, wie die letzten Vögel von
den Bäumen geblasen werden.
Und wir?
Die einen tanzten sich in Ektase ihre Seele aus
dem Leib; die anderen fielen wie die Fliegen zu Boden. Dazwischen hielten sich
viele aufrecht. War dies ein Spiegel unserer Zeit? Ich fürchte; die
Hinterlassenschaften sprachen eine deutliche Sprache; obwohl unermüdliche
Helfer den Strand rund um die Uhr von Müll befreiten, sah es aus, als hätte die
Müllabfuhr den Dreck einer Kleinstadt auf den Strand gekippt. Dazwischen lag
eine beachtliche Anzahl von Drogenleichen. Das Meer hatte sich in eine Kloake
verwandelt. War dies unser Erbe?
An dieser Stelle möchte ich den
König der Freaks zitieren:
“Strange memories on this nervous night in Las Vegas. Five years later?
Six? It seems like a lifetime, or at least a Main Era—the kind of peak that
never comes again. San Francisco in the middle sixties was a very special time
and place to be a part of. Maybe it meant something. Maybe not, in the long run
. . . but no explanation, no mix of words or music or memories can touch that
sense of knowing that you were there and alive in that corner of time and the
world. Whatever it meant. . . .
History is hard to know, because of all the hired bullshit, but even without being sure of “history” it seems entirely reasonable to think that every now and then the energy of a whole generation comes to a head in a long fine flash, for reasons that nobody really understands at the time—and which never explain, in retrospect, what actually happened.
(…) but being absolutely certain that no matter which way I went I would come to a place where people were just as high and wild as I was: No doubt at all about that. . .
There was madness in any direction, at any hour. If not across the Bay, then up the Golden Gate or down 101 to Los Altos or La Honda. . . . You could strike sparks anywhere. There was a fantastic universal sense that whatever we were doing was right, that we were winning. . . .
And that, I think, was the handle—that sense of inevitable victory over the forces of Old and Evil. Not in any mean or military sense; we didn’t need that. Our energy would simply prevail. There was no point in fighting—on our side or theirs. We had all the momentum; we were riding the crest of a high and beautiful wave. . . .
So now, less than five years later, you can go up on a steep hill in Las Vegas and look West, and with the right kind of eyes you can almost see the high-water mark—that place where the wave finally broke and rolled back.”
History is hard to know, because of all the hired bullshit, but even without being sure of “history” it seems entirely reasonable to think that every now and then the energy of a whole generation comes to a head in a long fine flash, for reasons that nobody really understands at the time—and which never explain, in retrospect, what actually happened.
(…) but being absolutely certain that no matter which way I went I would come to a place where people were just as high and wild as I was: No doubt at all about that. . .
There was madness in any direction, at any hour. If not across the Bay, then up the Golden Gate or down 101 to Los Altos or La Honda. . . . You could strike sparks anywhere. There was a fantastic universal sense that whatever we were doing was right, that we were winning. . . .
And that, I think, was the handle—that sense of inevitable victory over the forces of Old and Evil. Not in any mean or military sense; we didn’t need that. Our energy would simply prevail. There was no point in fighting—on our side or theirs. We had all the momentum; we were riding the crest of a high and beautiful wave. . . .
So now, less than five years later, you can go up on a steep hill in Las Vegas and look West, and with the right kind of eyes you can almost see the high-water mark—that place where the wave finally broke and rolled back.”
Hunter
S. Thompson
Die Neunmalklugen unter uns wussten genau, dass wir diese einmalige Zeit nicht miterlebt hatten; und wir teilten mit denen, die seit damals durch die Welt irrten, um den Traum doch noch irgendwo aufzuspüren, das Wissen was diese zurückrollende Welle angerichtet hatte.
Wann würden wir endlich unsere eigenen Funken erzeugen und unsere Welle lostreten, die eine neue Vision erzeugen könnte nach der die Welt so lechzte? Es war höchste Eisenbahn, um den Ökonomen, den Lobbyisten, den PR-Heinis und den Großkonzernen mächtig in den Arsch zu treten! Niemand würde das für uns übernehmen!
Don`t blame the guide - he got his own troubles... |
An diesem Ort konnte ich nichts Neues finden; Sicher, ich hatte meinen Spaß; es gab Momente, in denen ich strahlend über das
ganze Gesicht über den Strand schwebte und ganz im Frieden mit mir war. Nichts
konnte mich daraus reißen. Aber Spaß war eben nur eine Seite der Medaille und
wenn das Zusammentreffen unserer Generation keine bleibenden Fundamente gießen
konnte – was war es wert?
Die Erlebnisse dieser Vollmondnacht machten mich
eher nachdenklich: neben den strahlenden Gesichtern, die ganze Romane von Liebe,
Erfüllung und tiefem Glück erzählten, las ich in vielen Gesichtern einen
desillusionierten, enttäuschten und manchmal verzweifelten Ausdruck. Unerfüllte
Wünsche nach Liebe, Verbundenheit und Zärtlichkeit. Von den temporär oder
dauerhaft Zerstörten ganz zu schweigen.
Ich war inzwischen ein wenig erschöpft und genervt,
dass ich Chris und Dirk nicht finden konnte. Ich war kurz davor, die Insel
alleine zu verlassen als sie doch noch auftauchten. Chris war reichlich daneben
und faselte ein wenig paranoid davon, dass ich die bösen Menschen am anderen Ende
des Strandes meiden sollte. Mit den Bestien war nicht zu spaßen. Das wusste ich
schon…
Kurze Zeit später war das vergessen und er tanzte
wie der Teufel zu einer Schranzmusik, die meine Eingeweide zittern ließ. Weder
Dirk noch ich konnten die Musik ertragen. So ließen wir Chris tanzen und ich
zeigte Dirk die Bars auf dem Felsen, von denen aus man bei chilliger Musik
einen atemberaubenden Blick über den erleuchteten Strand hatte. Das war das
Ende.
Wir packten Chris ein. Der wollte gar nicht weg;
doch es wäre unverantwortlich gewesen, ihn dazulassen; vielleicht wäre er für
immer verschollen geblieben. Auf eine solche Legendenbildung konnten seine
Freunde verzichten. Außerdem fällt das dann doch nur auf den Reiseleiter zurück.
Am hoffnungslos überfüllten Pier mussten wir eine Stunde unter
Oberklasse-Freaks verbringen, während die Morgensonne begann uns zu blenden und
unser verfaultes Fleisch auf Temperatur zu bringen. Viele von denen, die ein Nervenkleiden
entwickelt hatten oder körperlich derangierter waren als ein Verlier im Kampf
gegen den Riesen Walujew ließen sich von windigen Mafiosi gegen einen tüchtigen
Aufschlag auf pompöse Schnellboote ziehen und entschwanden mit einem höhnischen
Grinsen – hoffentlich würden ihnen die Knochen gebrochen!
Zur Mittagszeit lagen wir in unseren Kojen im
Morning Glory.
Abgesang
Die letzte Party auf Ko Samui fand ohne mich
statt. Chris erzählte von seinem Kneipenbesuch und schilderte mir den Auftritt
deutscher Rockbands, das Erscheinen von Rockern in Gardeuniform und die
Auswüchse der allgegenwärtigen Prostitution auf eine Weise, das ich womöglich
etwas verpasst hatte - aus rein gonzopolitischen Gesichtspunkten – doch ich
hatte mein Gesicht gewahrt und in jeden Abgrund zu blicken war wohl kaum
anzuraten. Mir reichen meine eigenen!
Natürlich ist es töricht von Bangkok, Ko Samui, der
Full Moon Party oder noch schlimmer – dem Höllenschlund von Pattaya, den ich
für kein Geld der Geld betreten werde – auf ganz Thailand zu schließen – und
das werden andere Bildergeschichten noch unterstreichen.
Der Kompagnon von Dirk hatte dazu eine dezidiert
andere Meinung und unsere verschiedenen Ansichten führten fast zu einem
interstellaren Krieg. Niemals werde ich den Bericht von Dirk vergessen: sein
thailanderprobter Freund hatte ihn in ein Hotel in Bangkoks berüchtigten
Stadtteil Nana geschleppt, in dem seiner
Aussage nach außer den beiden ausschließlich Prostituierte wohnten; sein Compadre
hatte ihm immerfort sein Mantra erklärt: „this is thailand“; Dirks Versuche auf
die anderen Seiten der Stadt hinzuweisen, wurden schlicht ignoriert und die
Erfahrung war entsprechend eindimensional. Er war wohl nicht ganz unglücklich
uns kennen gelernt zu haben.
Schließlich verließen wir Ko Samui ohne
Wiedersehen und durften auf Ko Pha Ngan eine ganz besondere Erfahrung im
Dschungel des Inselinnern machen.
Wir waren froh wegzukommen und die widerlichen und
gescheiterten Typen, die sich gerade erwachsende Thai-Frauen für den ganzen
Urlaub buchten und sich wie Monarchen aufführten, hinter uns zu lassen. Und mit
ihnen die glückssüchtigen Nachwuchsritter, die ihre Schlachten auch ohne uns
grandios schlagen würden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass ich Die Geschichte
des Morning Glory nicht kenne und auch keine erhärtbaren Informationen dazu
finden konnte. Jegliche Äußerung was es mit diesem Ort auf sich hatte wäre gutmeinende
oder böswillige Spekulation. Er war durch seine Auflösungserscheinungen
lediglich Kulisse. Wir hatten auch nicht tiefer hinter die Kulissen der Insel blicken
können – und das wollten wir auch nicht unbedingt. Auch Gonzojournalismus hat
seine Grenzen.
Was andere für Schlüsse aus ihren Erfahrungen auf
solchen Full Moon Partys gezogen haben? Hier gibt es das ganze Spektrum – von
Erfahrungen, die Einzelnen lebenslang ein Grinsen aufs Gesicht zaubern bis zu
schweren Schädigungen, die ebenso memoriert werden – es ist alles dabei. Eines
stand hingegen fest: Bangkok hatte Seiten an mir hervorgebracht, auf die ich
nicht stolz war. Und an wenigen Orten war ich so zwischen Faszination und
Abscheu hin und hergeschwankt wie an den Schauplätzen dieser Geschichte. Es war
kinderleicht in einen hedonistischen Wahn epischen Ausmaßes zu verfallen. Alles
ist so passiert, wie ich es berichtet habe, aber man hätte sicher auch ganz andere
Geschichten daraus destillieren können.
Mich hat jedenfalls der Beat gepackt; mal sehen was sich daraus noch entwickelt...
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AntwortenLöschenLG, Chris
werde es wohl am Montag losschicken; ich geb Dir bescheid! LG. Oli
LöschenErfahrungsmillionäre sind die reichsten Menschen der Welt. Du machst alles richtig.
AntwortenLöschenkeineswegs immer, aber ich bin bereit, weiter zu lernen und an mir zu arbeiten. Ansonsten hast Du vollkommen recht ;-) Liebe Gruesse, Oleander
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