Erneut möchte ich eine Reportage von Mediastorm in den Vordergrund stellen, die sich auf vielschichtige Weise der schwierigen Situation Afghanistans annähert.
Einige Vorbemerkungen:
Schon lange interessiere ich mich für das Schicksal
der Afghanen. Seit Jahrzehnten kommt das Land nicht mehr zur Ruhe und die
Folgen für die Bevölkerung sind verheerend - oft bleibt nur die Wahl zwischen
Not und Elend. Afghanistan ist in den Strudel geostrategischer Interessen geraten und wurde dabei in den Abgrund
gestürzt.
Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich mir
vorstelle, wie trostlos die Situation in dem Land ist und mit welcher Würde
viele Menschen diese Zustände ertragen. Ich selbst war noch nie in Afghanistan
und würde sehr gerne einmal dorthin reisen. Nicht zufällig war Kabul einer der
wichtigsten Anziehungspunkte für die Hippies – und zwar nicht nur als
Zwischenstation auf dem Weg nach Indien. Der Hindukusch mit seinen mächtigen
Bergen (die ich bislang nur bei einem Überflug sehen konnte) und die blühenden
Täler mit ihren Rosengärten ließen viele Reisende länger verweilen, als sie
geplant hatten. Doch vor allem die Gastfreundschaft der Menschen war ein
Grund, warum viele Reisende sich in dieses Land verliebt haben.
Seitdem ist viel geschehen und das Land ist kaum
wieder zu erkennen. Man mag einwenden, was das uns beträfe – aber diese
Denkweise ist ein Trugschluss. Auch wenn ich der eindimensionalen Logik der
US-Außenpolitik, die meinte man könne, die Taliban auf kriegerische Weise
bezwingen und dem ähnlich gestrickten Mantra Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt, keineswegs
folgen mag – so wird in einer globalisierten Welt immer deutlicher, wie eng
viele Dinge zusammenhängen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun
haben.
Natürlich wird man mit der Betrachtung der Situation
in Afghanistan allein dem komplexen Thema des Terrorismus kaum gerecht – aber viele
Schlüsse aus der Situation dort lassen sich dennoch ziehen. Und die Folgen
lassen sich überall spüren: Staaten ziehen in den Krieg gegen den Terror – was sowohl von der Begrifflichkeit als
auch der Intension kaum zielführend sein kann – schließlich werden in diesem
Kampf rechtsstaatliche Prinzipien aufgegeben (ob nun in Guantanamo oder im
Drohnenkrieg). Das erschüttert jegliche Glaubwürdigkeit, man wolle ernsthaft für Demokratie und Menschenrechte einstehen - was in diesem und anderen Fällen ohnehin eher als Vorwand erscheint. Sonst hätte man auch in Dafur einschreiten müssen.
Auch
neue Sicherheitskonzepte mit massiven Einschnitten in die Bürgerrechte lassen
sich mit dem Hinweis auf die Gefahr des Terrorismus und dem Wunsch nach
Sicherheit in den U.S.A. oder Europa durchsetzen. Als ließe sich auf diese Weise Terrorismus
bekämpfen. Das halte ich für eine Illusion. Ich sehe nur einen Weg, um dem
Terrorismus den Nährboden zu entziehen – Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die den
Menschen in vielen Ländern der Welt die Perspektive rauben und sie so zu
einfachen Zielen für radikale Ideen machen. Nicht zu unterschätzen ist auch der
Einfluss des eigenen Konsumverhaltens, mit dem man oft unfreiwillig
Ungerechtigkeiten zementiert.
Die Chance voll auf den Wiederaufbau und die Etablierung
rechtsstaatlicher Institutionen wurde in Afghanistan weitgehend verspielt.
Anstatt sich in erster Linie auf den Wiederaufbau zu konzentrieren, war das
zentrale Ziel, Terroristen zu töten und Osama bin Laden unschädlich zu machen.
Ein gefährliches Schwarz/Weiß-Denken zu vermuten, man könne mit der Tötung von
Terroristen den Terrorismus schwächen – das Gegenteil ist der Fall.
Ich will nicht verallgemeinern: es gab durchaus
hoffnungsvolle Ansätze: der Aufbau von Schulen und Infrastruktur und der
Versuch, mit den Mächtigen und Zivilisten ins Gespräch zu kommen – in meinen Augen
der einzig gangbare Weg. Leider begreifen viele jedoch nicht, dass sich
Lösungen für Afghanistan an der Struktur und Geschichte des Landes orientieren
müssen und unbedingt auf die Vorstellungen der einfachen Menschen ausgerichtet
sein muss. Durch den Einsatz von Drohnen und dem Tod vieler Zivilisten hat sich
die Stimmung jedoch gedreht und die Menschen wieder in die Arme der Radikalen
getrieben.
Die Dokumentation zeigt sehr deutlich, wie mit
massiver Unterstützung der U.S.A. einst die Grundlagen für das heutige Fiasko
gelegt wurde: als der Feind noch die Sowjetunion war, unterstütze man die
Mudschaheddin und etablierte die Taliban und den einstmaligen Freund Osama bin
Laden. Die Folgen sind bekannt. Zudem wurden auch Kämpfer aus anderen Regionen
nach Afghanistan gelockt – was wesentlich zur Internationalisierung des
islamistischen Terrors geführt hat und sich im aktuellen Krieg weiter
verschärft – auch in Syrien ist die Situation völlig undurchsichtig geworden.
Nachdem die sowjetischen Truppen mithilfe von us-amerikanischen
Waffen und Logisitik in die Flucht geschlagen waren, ließ man die Verbündeten
fallen und überließ sie sich selbst – hoch gerüstet in einem völlig zerstörten
Land – was hätte unter diesen Voraussetzungen Gutes rauskommen können?
Leider ist dies ein Muster der us-amerikanischen
Außenpolitik – paramilitärische Gruppen zu unterstützen, um Krieg zu führen. Freilich
ein Muster einer Weltmacht und nicht auf die Politik der U.S.A. beschränkt. Daran
hat sich auch unter Obama nichts geändert. Zwar hat er den Abzug der Truppen
beschlossen (was grundsätzlich richtig aber angesichts der aktuellen Situation
durchaus fragwürdig ist) – doch der Krieg mit dem Einsatz von Kampfdrohnen hat
noch an Intensität zugenommen. Von einer Wende kann keine Rede sein.
Doch nun zu der Reportage, die wesentlich auf der
Arbeit des Photographen Seamus Murphy und einer intensiven Recherche basiert
und erstklassig von Brian Storm produziert wurde.
Die Reportage ist
stellenweise sehr bedrückend ohne sich einer Sensationsgier hinzugeben. Sie ist
durch den Fokus auf die Menschen und mithilfe ausgezeichneter Photographien
sehr berührend und zeigt sowohl Hoffnung als auch Verzweiflung. Ein erstklassiges
Dokument über Vergangenheit, Gegenwart und möglicher Zukunft:
Based on 14 trips to Afghanistan between 1994 and 2010, A Darkness Visible: Afghanistan is the work of photojournalist Seamus Murphy. His work chronicles a people caught time and again in political turmoil, struggling to find their way. See the project at http://mediastorm.com/publication/a-darkness-visible-afghanistan
Leider flammt derzeit in Kaschmir der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen Indien und Pakisten wieder auf. Ein Schlüsselkonflikt für die ganze Region, der ein wesentlicher Nährboden für den islamistischen Terror darstellt. Seitdem ich selbst dort war, beschäftigt mich dieser Konflikt immer wieder und ich werde bald meine Gedanken zum Kaschmir-Konflikt zusammenfassen. Bis dahin möchte ich Euch den Artikel von Hasnain Kazim Gefährlicher Kleinkrieg im Himalaya für Spiegel-Online ans Herz legen und mein Blog Sehnsuchtsorte: Kaschmir, der auch von der Schönheit der Region erzählt. In Kürze mehr dazu...
Weiterführende Links:
the hard places
Crowdfunding-Projekt von Salome und Lukas Augustin, das dem Lebenswerk von Tom Little nachspürt, der sein Leben für die afghanische Zivilgesellschaft einsetzte. Eingebunden ist der kürzlich ausgezeichnete Kurzfilm "Afghanistan - touch down in flight" mit berührenden Bildern.
the hard places
Crowdfunding-Projekt von Salome und Lukas Augustin, das dem Lebenswerk von Tom Little nachspürt, der sein Leben für die afghanische Zivilgesellschaft einsetzte. Eingebunden ist der kürzlich ausgezeichnete Kurzfilm "Afghanistan - touch down in flight" mit berührenden Bildern.
Mediastorm
Auch die Dokumentation von Mediastorm "I know where I`m going" über die Arbeit der ICRC im Jemen kann ich nur wärmstens ans Herz legen.
Auch die Dokumentation von Mediastorm "I know where I`m going" über die Arbeit der ICRC im Jemen kann ich nur wärmstens ans Herz legen.
Alexia Foundation - stories that drive change
spendenbasierte Stiftung, um Reportagen zu unterstützen, die sich für einen Wandel einsetzen.
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Die Zukunft des Journalismus
Beispiele für den Wandel im Journalismus mit der sehenswerten Multimedia-Dokumentation Alma - Kind der Gewalt
Wandel durch Empathie
Zeichen der Hoffnung - Gedanken zur Macht von neuen Reportageformen und Ansätze, die aufzeigen wie Journalismus und Gesellschaft empathische Erfahrungen zum Handeln nutzen können und einen nachhaltigen Wandel gestalten können.
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Wandel durch Empathie
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