Wer den ersten Blog über Tiziano Terzani nicht gelesen
hat, kann sich hier noch einmal einen Überblick über seinen Werdegang
verschaffen:
Dieser Teil endete mit Terzanis Ausweisung aus China
1984 und seiner bitteren Enttäuschung über die Realisierung des Kommunismus in
China, Vietnam und Kambodscha. Terzani zieht es nach Japan. Der Spiegel
eröffnet ihm die Möglichkeit ein neues Auslandsbüro in Tokyo zu eröffnen.
Japan sollte die neue Heimat der Familie werden, doch
er wird dort niemals glücklich. Japan ist nach seinen Erfahrungen in China ein
ganz anderes Extrem:
Terzani will ein Japan seiner exotischen Phantasie erleben. Er suchte für die
Familie nach einem alten japanischen
Holzhaus mit Fenstern aus Reispapier und Tatamis auf dem Boden. Tatsächlich
wohnte er anfangs in einem kleinen ryokan, einem hübschen, altmodischen Hotel mit
einem Bambusrohr in Garten, in dem nach altem Brauch Tag und Nacht Wasser
plätscherte. Er wollte tief in die japanische Kultur eintauchen.
Doch schon bald wurde ihm klar, dass ich mit der
Wahl Japans den größten Fehler meines Lebens begangen hatte. Terzani schreibt:
„Ich
hatte Jahre lang in einer Kultur der Größe gelebt…Denn Du kannst über China
sagen, was Du willst, aber dort war alles groß. (…)Und auf einmal befand ich mich in einer
Kultur des Kleinen, des Details…Größe spürst Du nur im Tod. Im Yasukuni-Tempel
oder in den Museen mit all den Schwertern spürst du die Kultur des Todes, des
schönen Todes, in der die ganze japanische Romantik liegt.“
Er
ist außerdem entsetzt über die hohle Geschäftigkeit der hoch technisierten und
stark industrialisierten Nation und empfindet die durchorganisierte japanische
Gesellschaft als kalt und unmenschlich. Er ist regelrecht abgestoßen. Obwohl er
japanisch lernt, kommt er nicht an die Menschen heran. Aus
dem modernen Land, das global als erstes den Anschluss an die westliche Moderne
und eine dem westlichen Großmächten gleichrangige Position erkämpft hatte,
wollte er in „das tropische Asien
zurückkehren“, das er so sehr liebte:
„Ich
hatte schreckliche Sehnsucht nach der Sonne und nach dem Gestank modrigen
Gemüses morgens auf dem Gehsteig, dem Geruch der Tropen.“
Er
hielt die erfolgreiche Modernisierung und den wirtschaftlichen Erfolg Japans
für einen „Fluch, der bald auch über den Rest der Welt kommen würde.(…) Denn
man darf die modernen Gesellschaften (…) nicht nur nach der Effizienz ihrer
Wirtschaftsstrukturen beurteilen; man muss sich vor allem den Menschen ansehen,
den sie hervorbringt, und das Leben, das er führt.“
Terzani
kann die westliche Dominanz genauso wenig als gottgewollt akzeptieren, denn
nach seinen Erfahrungen ist er zu der Überzeugung gekommen, dass kein Mensch
ein Monopol auf Wahrheit und Werte habe. Sicherlich
ist Terzani nicht frei von Arroganz und einer gewissen Egozentrik, die ihm
zusätzlich schwer machen, sich anders auf Japan einzulassen und ein anderes
Bild zu gewinnen. Seine negative Sicht beeinflussen sicher auch die
Desillusionierung nach seinen Erfahrungen in China und nun erlebt er so
intensiv wie nie zuvor, welche Fratze der ungebremste Kapitalismus trägt.
Er wird depressiv, durchlebt eine Lebenskrise und die
Familie durchlebt ihre schwierigsten Jahre.
Tiziano Terzani schrieb: „…wenn die Gegenwart mich nicht interessiert, suche ich meine Zuflucht in der Geschichte.“
Tiziano Terzani schrieb: „…wenn die Gegenwart mich nicht interessiert, suche ich meine Zuflucht in der Geschichte.“
Nicht
ohne Stolz schreibt er nicht „eine einzige Zeile“ über die japanische
Wirtschaft. Stattdessen schreibt er
über den Tod des Gott-Kaisers, über
sprechende Maschinen, skurrile Toiletten
und das Nachtleben. Am Ende seines Lebens erkennt der ursprünglich extrovertiert stolze und
unermüdlich aktive Terzani, dass Japan auch einen positiven Wendepunkt in
seiner hektischen Lebensführung als Journalist an vorderster Front darstellt:
„Man
muss achtsam sein und sich Zeit zum Alleinsein nehmen, zum Schweigen, zum
Nachdenken, zum Abstandgewinnen. Und man muss hinsehen…In Japan habe ich damit
angefangen…bis ich schließlich die schwerste Bürde abgeworfen habe: meine
Identität.“
Seine Frau Angela versucht ihren Mann, dem morgens schon beim Aufstehen „ein bleischweres Gewicht“ auf den Schultern lastete in dem Land, das sich ihm verschloss, durch alles Mögliche aufzumuntern, so indem sie jeden Morgen mit ihm durch die kleinen Straßen Tokios schlenderte um neue Cafés auszuprobieren. Es hilft alles nichts. Schließlich zog Terzani sich einige Monate in einer kleinen Hütte im Daigo-Wald am Fuße des Fuji zurück, um ein Buch zu schreiben. Doch das Projekt misslang Tiziano Terzani:
Seine Frau Angela versucht ihren Mann, dem morgens schon beim Aufstehen „ein bleischweres Gewicht“ auf den Schultern lastete in dem Land, das sich ihm verschloss, durch alles Mögliche aufzumuntern, so indem sie jeden Morgen mit ihm durch die kleinen Straßen Tokios schlenderte um neue Cafés auszuprobieren. Es hilft alles nichts. Schließlich zog Terzani sich einige Monate in einer kleinen Hütte im Daigo-Wald am Fuße des Fuji zurück, um ein Buch zu schreiben. Doch das Projekt misslang Tiziano Terzani:
„Es
gelang mir einfach nicht, die Angst und Beklemmung zu beschreiben, die mich
gepackt hatte: die Angst vor der modernen Gesellschaft mit ihrer ungeheuren
Entmenschlichung.“
Terzani
stößt aber auch in Japan auf seine Geschichten. So fand er Hanako Ishi, die
Geliebte des weltberühmten Sowjetspions Richard Sorge, der Stalin aus dem mit
Deutschland verbündeten Japan das Datum von Hitlers Angriff auf die Sowjetunion
verriet - und dafür von den Japanern hingerichtet wurde. Er schreibt über die
Yakuza, die Atombombe und die japanischen Traditionen.
1989 reist Terzani noch einmal inkognito nach
China und berichtet über das Massaker am Platz des himmlischen Friedens.
Er
empfindet seine Zeit in Japan als Scheitern und bricht 1990 seine Zelte ab, um
in Bangkok ein neues Büro zu eröffnen. Hier fühlt er sich wieder wohl. Er
bezieht mit seiner Familie das „Turtle House“, das zu seinem Refugium wird.
Hier begegnet er auch dem Islam und er erkennt, welche immense Rolle er in Zukunft spielen würde.
1993 erwartet ihn ein ganz anderes Abenteuer. Ein Wahrsager in Hong Kong hatte ihn viele Jahre zuvor vor einem Flugzeugabsturz gewarnt. Da sich Terznai als aufgeklärten Menschen versteht, der nichts auf die Weissagungen eines Wahrsagers hält, gibt er darauf anfangs wenig. Doch der Gedanke lässt ihn nicht los und immer wieder denkt er darüber nach, diese Warnung doch ernst zu nehmen. Als er sich schließlich dazu entscheidet, im Jahr 1993 kein Flugzeug zu besteigen, erhält er sogar Unterstützung durch den Spiegel. Dort weiß man um den Spürsinn Terzanis.
So durchbricht Terzani
die sterile Routine von Flugzeug – Taxi – Hotel – Taxi – Flugzeug. Es beginnt
für ihn ein Jahr völlig andersartiger Begegnungen mit Asien. Mit klappernden
Bussen, Autos, Fähren, Eisenbahnen reiste er zu den politischen Schauplätzen Südostasiens. Diese Entschleunigung
schärfte seine sinnliche Wahrnehmung und verband ihn mit den Kräften, die unter
der Oberfläche des Tagesgeschehens wirken. Es deprimiert ihn, das
alte Asien zunehmend verschwinden zu sehen. Er wird zum Kritiker des westlichen
Lebensstils mit seinem immer weiter wachsenden Materialismus und der
einseitigen Globalisierung, die die gewachsenen und wertvollen asiatischen Traditionen
untergräbt, verflacht und zerstört:
"Die materielle Gewalt der westlichen
Weltsicht hat die östliche überrollt. Asien hat seinen Frieden verloren auf der
Jagd nach jener Art von Glück, das uns bereits unglücklich gemacht hat.“
Er sieht es als
traurige Ironie, dass der „American way of life“ mit seiner Konsumkultur Asien
nachhaltiger verändert, als es der Kolonialismus vermocht hatte. Schließlich
mündet sein Experiment zu einer außergewöhnlichen Reise:
So erfuhr er, dass neben einem "moderneren"
Asien, das sich längst dem Geld und der Technik verschrieben hatte und in dem
die Änderung der Lebensweise in rasantem Tempo fortschritt, es auch noch ein
altes, in den Denkweisen seiner Tradition verharrendes Asien gab, in dem Legenden,
Mythen, Prophezeiungen und Religion noch eine sehr große Rolle spielten.
Bei aller Vernunft stellt sich Terzani die Frage, ob
sich die merkwürdige Prophezeiung wirklich erfüllt hätte, wenn er ihr nicht
gefolgt wäre? Während seiner "fluglosen" Zeit verfolgte er in den
Medien aufs Genaueste alle Flugunfälle.
War es ein Zufall, dass genau im Jahr seiner Flugabstinenz ein mit westlichen Journalisten beladener Helikopter und einem Kollegen, der anstelle von Terzani mitgeflogen war, über Kambodscha abstürzte?
War es ein Zufall, dass genau im Jahr seiner Flugabstinenz ein mit westlichen Journalisten beladener Helikopter und einem Kollegen, der anstelle von Terzani mitgeflogen war, über Kambodscha abstürzte?
Das Buch, dem diese Reise zugrunde liegt ist besonders
gut als Einstieg in die Welt Tiziano Terzanis geeignet:
Fliegen ohne
Flügel: Eine Reise zu Asiens Mysterien
Im dritten Blog geht es um die Begegnung mit Indien, seine Krebserkrankung, die folgende Suche nach Heilung und innerem Frieden und sein Vermächtnis:
Tiziano Terzani und seine innere Reise
Tiziano Terzani und seine innere Reise