Freitag, 26. Oktober 2012

Reisereportage: Angkor I




 Mein Besuch in Angkor gehört zu den eindrücklichsten Erfahrungen, die ich bislang machen durfte. Berichte über die Ruinenstadt hatten mich schon lange fasziniert. Angkor Wat ist der größte Tempelkomplex der Welt. Allein dieser Tempel lohnt in meinen Augen einen Besuch Südostasiens. Doch Angkor Wat ist nur ein Teil von Angkor, das sich über eine Gesamtfläche von 200 Quadratkilometern erstreckt und über 1000 Tempel umfasst. Die Zahl der Tempel war ursprünglich noch weit höher. Im tropischen Klima Südostasiens konnten jedoch nur Steinbauten die Jahrhunderte seit dem Niedergang Angkors überdauern. Aus diesem Grund sind neben den Tempeln keine weiteren Gebäude erhalten geblieben – weder der Königspalast noch die Wohnhäuser oder Märkte. 

Geographisch liegt die Angkor in einer Ebene nördlich des Tonle-Sap-Sees im Westen Kambodschas. Eine ganz wesentliche Voraussetzung für die blühende Hochkultur Angkors war der Bau eines ausgeklügelten Bewässerungssystems mit riesigen Wasserspeichern (Ost- und West-Baray) und einem weitverzweigten Kanalsystem. Erst das bot die Voraussetzung für die Khmer für einen intensiven Reisanbau um ihr - für die damalige Zeit - riesiges Volk zu ernähren und sogar Überschüsse zu erzielen, die Handel ermöglichten und damit den Bau der Tempelanlagen. Künstliche Wasserstraßen ermöglichten wohl auch den Transport der riesigen Steinblöcke durch den damals noch dichten Dschungel, um solche imposante Gebäude zu errichten. Auch Arbeitselefanten spielten eine wichtige Rolle. 

Angkor war vom 9. bis 15. Jahrhundert das Zentrum des Khmer-Königreichs Kambuja. Das Khmer-Reich erreichte seine größte Ausdehnung und umfasste neben Kambodscha Teile des heutigen Thailands, Vietnams und Laos. Es sind keine schriftlichen Aufzeichnungen aus Kambuja erhalten, doch die archäologischen Ausgrabungen, Rekonstruktionen und Untersuchungen sowie die lebhaften Reliefs mit Darstellungen von Kriegszügen, Ritualen und dem Alltagsleben am Königshof und den Märkten zeugen von einer blühenden Hochkultur. Zudem existieren Berichte chinesischer Diplomaten, Händler und Reisender.

Viele Touristen nehmen sich nur einen einzigen Tag Zeit, um die weitläufigen Tempelanlagen zu erkunden und sind abends so erschlagen, dass sie so schnell keine Tempel mehr sehen wollen. Ich rate dazu, sich mehr Zeit zu nehmen, so dass auch Zeit bleibt die Bauten in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Zur Erkundung bieten sich Tuk-Tuks an; man kann den riesigen archäologischen Park auch mit dem Fahrrad erkunden. Ich wählte den Rücksitz eines sympathischen Motorroller-Fahrers.

Ein Luftbild der Tempelanlage zeigt die unglaubliche Dimension der Anlage von Angkor Wat:

Die Bildrechte liegen beim Photographen Charles J. Sharp und wurde unter GNU-Lizenz für freie Dokumentation 1.2 freigegeben; alle anderen im Blog abgebildeten Bilder stammen wie gewohnt aus meinem persönlichen Archiv.

Eine erste Blüte erreichte Angkor im 12. Jahrhundert. Suryavarman II. einte das Reich nach langanhaltenden und heftigen Machtkämpfen und Unruhen. Unter seiner Herrschaft wurde Angkor Wat in nur 37 Jahren errichtet. Es war der Hindu-Gottheit Vishnu geweiht. Anfangs waren alle Tempel Angkors den drei wichtigsten hinduistischen Gottheiten geweiht -  Brahma, dem Schöpfer des Universums - oftmals durch die Lotusblüte dargestellt, Vishnu, dem Erhalter der Welt und Shiva, dem Zerstörer der Welt, der die erneute Schöpfung der Welt durch Brahma in Gang setzt. Ein faszinierender Kreislauf von einer zyklischen Erneuerung des Lebens.  

der hinduistische Gott Shiva




Man vermutet, dass der Hinduismus durch Händler und später folgende Brahmanen (Angehörige der höchsten indischen Kaste) aus Indien in Kambodscha etabliert wurde. Erst später wurde das Heiligtum in ein buddhistisches „Wat“ (Kloster) umgewandelt. Oftmals mischten sich hinduistisch und buddhistische Elemente mit der vorher vorherrschenden von Geistern und Dämonen. Die Könige des Khmer-Reiches betrachteten sich als irdische Inkarnation der Götter. 








Schon der erste Blick aus der Ferne auf Angkor Wat sprengt jegliche Vorstellungskraft. Die Spitzen des Tempels ragen aus der Ferne über die Umfassung der Außenmauer und einen riesigen Wassergraben. Die scheinbar übermächtige Anlage wirkte völlig unwirklich auf mich. Geradezu mystisch. Ich war vom ersten Moment an verzaubert und empfand Demut vor der Schöpfungskraft der Erbauer. Die Bauwerke zeugten von einer vergangenen Größe, deren Strahlkraft ungebrochen auf mich wirkte. Gebannt lief ich auf einem 300 m langen Damm über einen mächtigen Wassergraben, der die Anlage von allen Seiten umschließt. Er symbolisierte den Ur-Ozean, diente als Wasserreservoir. Nun gelangte ich durch ein erstes Tor auf einen weiten Vorplatz.

Nachdem ich mehrere hundert Meter bis zum eigentlichen Heiligtum gegangen war, betrat ich durch ein prächtiges Tor fünf konzentrische und rechtwinklige Höfe mit Türmen in Form von Lotosblüten. Im Zentrum steht der mit 65 Metern höchste Turm (Prasat). Darin befindet sich das Hauptheiligtum Vishnus. Der Turm symbolisiert den Berg Meru aus der Hindumythologie, den Mittelpunkt des Universums. Das reale Vorbild ist wahrscheinlich der Kailash in Westtibet. Alle anderen Tempel Angkors haben einen sehr ähnlichen Grundriss und diesen zentralen Turm.






Die Wände des Tempels sind mit Flachreliefs mit unglaublich plastischen Figuren verziert. Es finden sich sowohl Alltagsszenen als auch mythologische Bilder mit Tempeltänzerinnen, Göttern oder Elefanten. An manchen Stellen sind ganze Mythen dargestellt, die von Kriegen, religiösen Ritualen und der Geschichte der Khmer erzählen.

In den Tagen, die ich in Angkor verbracht habe kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus und mein Lieblingstempel sollte ein anderer sein. Auf jeden Fall kann ich mich nicht erinnern jemals so tiefen Frieden in mir gespürt zu haben.

Im zweiten Teil erfahrt Ihr etwas über die Dimension von Angor Thom, meine persönlichen Empfindungen und es folgen besondere Bilder vom Dschungeltempel Ta Prohm...

ein Vorgeschmack...

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