Nach dem ersten Teil, den ich der Mythologie, Geschichte und
dem bekanntesten Tempel „Angkor Wat“ gewidmet habe, folgen im zweiten Teil
Bilder und eine kurze Beschreibung einiger nicht minder spannenden weiteren
Tempel Angkors. Die
persönlichen Empfindungen stehen diesmal im Vordergrund und so
beginne ich mit meiner Ankunft in Siam Raep - der Stadt, die sich in
unmittelbarer Nähe von Angkor befindet:
Erst nach Mitternacht erreichte ich den Busbahnhof
Siam Raeps. Aufgebrochen war ich im Süden Laos und die Busfahrt hatte annähernd
20 Stunden gedauert. Die zwei Wochen im Süden von Laos waren extrem entspannt gewesen.
Gegen Ende hatten jedoch einige traurige Ereignisse einen tiefen Schatten auf
mein Gemüt geworfen, von denen ich mich gerade erst mühsam erholt hatte. Dazu
an anderer Stelle mehr. Am Busbahnhof vertraute ich mich einem Tuk-Tuk-Fahrer
an, der mir eine günstige Unterkunft in einem Schlafsaal in Aussicht stellte. Eigentlich
ist das nicht mein Ding, aber um diese Uhrzeit konnte ich kaum wählerisch sein.
Umso überraschter und erfreuter war ich, dass es sich um einen von drei kleinen
offenen Bungalows im Freien handelte...
Der Haken war, dass sich diese Bungalows
direkt vor einem großen Hotel befanden, zu dem sie auch gehörten. Diese
Umgebung war nicht unbedingt schlaffördernd, aber letztlich verbrachte ich dort
- trotz wiederkehrenden Gedanken in ein Zimmer umzuziehen - zehn Nächte. Ich
vermute stark, es handelt sich um einen einsamen Rekord. Von Privatsphäre
konnte keine Rede sein; besonders nervig war der Lärm der betrunkenen Hotelgäste
bis tief in die Nacht, die am nahe gelegenen Pool ihre gute Kinderstube
vergaßen. Kurzfristig entwickelte ich Mordgelüste. Als diese heiteren Gesellen
weitergezogen waren, erklang nun in aller Frühe vom Nachbargrundstück
ohrenbetäubende Musik, da dort zwei Hochzeiten hintereinander gefeiert wurden. Ich
hatte das Gefühl mein Kopf würde platzen. Was mir jedoch besonders gefiel war, mit den
Hotelangestellten und den Tuk-Tuk-Fahrern, die hier nach Kundschaft suchten, zu
plaudern, Späße zu machen oder Badminton zu spielen. Zudem gab es auch mit
anderen Hotelgästen bereichernde Begegnungen.
Kaum einer, der an meinem
Bungalow vorbeikam, bedachte nicht mich mit einem belustigten oder verschwörerischen
Lächeln, ob dem langhaarigen und etwas obskuren Hippie, der da draußen lebte.
Das Nachtleben von Siem Raep war nicht meine Welt.
Die Pub Street kam mir vor wie eine Miniaturausgabe der Kaosan Road (der großen
Backpackerstraße in Bangkok) - bei meinem Kurzbesuch bekam ich ständig von
zwielichtigen und schmierigen Gestalten Kokain und Frauen angeboten bis ich angeekelt
das Weite suchte.
Trotz aller Angebote direkt nach Angkor
aufzubrechen, spannte ich den ersten Tag aus und erkundete die Stadt (Siam).
Ich wollte mich in Ruhe auf Angkor vorbereiten und nach einem sympathischen
Fahrer Ausschau halten, mit dem ich die Ruinen erkunden konnte. Zunächst war
ich wenig begeistert von Siam Raep. Es war offensichtlich in welch
atemberaubender Geschwindigkeit sich diese Stadt (parallel zum Tourismusboom)
entwickelt hatte seit zu Beginn der 90er Jahre die Demokratisierung der kambodschanischen
Gesellschaft eingesetzt hatte. Doch mit der Zeit fand ich ein paar schöne
Ecken: Den sehenswerten „Old Market“ mit prächtigen Stoffen, den schmalen Streifen
am Flussufer, beeindruckende Foto-Galerien, Geschäfte und einen kleinen Park.
Vor allem aber beeindruckte mich die Freundlichkeit der meisten Bewohner. Ich
hatte vermutet, dass ich meinen Aufenthalt in Kambodscha nicht so sehr genießen
würde wie in Laos zuvor - aber da täuschte ich mich glücklicherweise. Das Leben
hatte hier tatsächlich einen viel hektischeren Verlauf, aber gerade diese
pulsierende Kraft des Lebens zog mich unerwartet stark an. Natürlich hinkt der
Vergleich mit dem ländlichen Laos und es gibt auch in Kambodscha Regionen in
denen das Leben einen viel beschaulicheren Gang geht. Aber die Entwicklung
hatte zweifellos eine ganz andere Dynamik gewonnen. Das führte auch zu einer
anderen Weltoffenheit (allerdings hoffe ich sehr, dass sich die Laoten ihren
Lebensstil noch länger erhalten können).
unerwartet entpuppt sich ein Fahrer als Musiker. |
Doch nun wieder mitten hinein ins Herz von Angkor:
Ich hatte einen Motorroller-Fahrer kennen gelernt,
der mir sympathisch war. Meine Wahl war außerdem auf ihn gefallen, weil er ganz
offensichtlich wenig Erfahrung mit Touristen besaß und daher sicher dringender
auf Touristen angewiesen war als die Tuk-Tuk-Fahrer, die mit den größeren
Hotels zusammenarbeiteten. Schon die Fahrten auf dem Rücksitz des Motorrollers empfand
ich als berauschend. Ich hörte Musik und genoss die wunderschöne Dschungellandschaft
rundherum. Ich war vom ersten Moment an gebannt vom Anblick
der Tempel. Auf eine ganz merkwürdige Weise fühlte es sich an, als würde ich
heim kommen.
Die Elefantenterasse in Angkor Thom |
Ich spürte, wie sich ein tiefer innerer Frieden in
meinem Herzen ausbreitete. Ich gab mich diesem Gefühl voll hin. Ich war wie
geblendet von der außergewöhnlichen Architektur der Tempel. Neben Angkor Wat
gibt es noch einen deutlich größeren Bereich unter dem Namen Angkor Thom (die
große Stadt), die aus mehreren Tempelanlagen besteht.
Nach dem die direkt an
Angkor Wat angrenzende Hauptstadt verwüstet worden war, hatte sich hier eine
weitere Hauptstadt etabliert. Es gibt Indizien dafür, dass im Großraum von Angkor Thom bis
zu eine Million Menschen gelebt haben sollen. Damit wäre Angkor die größte
vorindustrielle Stadt der Welt. Das interessanteste Bauwerk von Angkor Thom ist
sicherlich das Hauptheiligtum - der Bayon.
Das Bauwerk besteht im Wesentlichen
aus gewaltigen Skulptur-Türmen, die auf vier Seiten mit dem Antlitz Buddhas geschmückt
sind. Es ist erstaunlich welch ausgesprochen lebendige Ausdruckskraft in diesen
aus Steinblöcken zusammengefügten Gesichtern liegt. Mir schien die Mimik der
Gesichter eine tiefe Güte, Anmut und Weisheit auszustrahlen.
Man vermutet, dass
die Gesichter sowohl einem Aspekt des Buddhas als auch dem damaligen Herrscher
Jayavaram VII. nachempfunden sind und die Göttlichkeit der Herrscher
unterstreichen sollte. Auch an den Eingangstoren Angkor Thoms findet sich diese
Darstellung:
Ein besonderes Bauwerk stellt Bantey Srei dar, das sich
einige Kilometer abseits der Hauptheiligtümer befindet. Diese
verhältnismäßig kleine Anlage wurde der Geschichtsschreibung nach von einem
Brahmanen in Auftrag gegeben - dem Guru eines Herrschers von Angkor. Diese
Tempelanlage stellt ein Meisterstück der Steinmetzkunst dar.
Besonders
faszinierend sind die vielfältigen und äußerst lebendigen Darstellungen aus der
Mahabharata, eines der Epen in den Veden, den Ursprungstexten auf denen der
Hinduismus basiert.
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Mein
Lieblingstempel war jedoch Ta Prohm, der Inbegriff eines Dschungeltempels. Im
Gegensatz zu den anderen Tempeln lässt man in dieser Anlage zu, dass Baumriesen
auf den Mauern und einzelnen Tempeln wuchern können.
Das
erweckt den Eindruck, als erobere sich der Dschungel die Tempel zurück und
vermittelt ein Gefühl davon, wie Angkor gewirkt haben muss, als es nach seinem
Niedergang vollständig vom Dschungel überwuchert war. Gerade
das grüne Labyrinth des Dschungels trägt erheblich zur mystischen Atmosphäre
bei, einer Aura vergangener Zeiten und einer vergangenen Welt. Ist man bei den
anderen Tempeln vor allem von der Schöpfungskraft des Menschen fasziniert, so
ist es hier die Natur, die deutlich aufzeigt, dass sie sich nach dem Niedergang
einer Hochkultur zurückholt, was der Mensch ihr in Jahrhunderten abgerungen
hat.
Hier kann man sich vorstellen, wie sich Henri
Mouhot gefühlt haben muss, als er 1860 auf diese unglaublichen Bauwerke
inmitten des Dschungels stieß. Doch er war keineswegs der erste Europäer, der
nach Angkor vorstieß, sondern es vor allem sein Bericht, der Angkor in Europa
bekannt machte. Angkor war auch nie vollständig in Vergessenheit geraten. Die
Khmer wussten auch nach dem Niedergang des historischen Reiches um die Existenz
der alten Tempel und nicht einmal die roten Khmer wagten es, diese Kultstätten
zu zerstören. Angkor Wat und einige weitere Tempel wurde durchgängig verehrt
und das Umland von Reisbauern und Fischern bewohnt. Noch heute leben in
unmittelbarer Nähe der Tempel Menschen und die Verehrung der Buddhisten für
Angkor ist ungebrochen.
Immer wieder ließ ich mich hier in einsamen
Nischen nieder und genoss die wundervolle Atmosphäre für einige Stunden: Ich lauschte
den Klängen des umgebenden Dschungels: lautes Vogelgeschrei übertönte immer
wieder das Rauschen der Blätter im Wind. Ich war nur umgeben von mächtigen Bäumen,
Tempeln und Mauern und fühlte mich erfüllt und glücklich. Wann immer ich die
Tempel durchstreifte, empfand ich kindliches Staunen und Ehrfurcht; demütig
brachte ich Räucherstäbchen dar. Das Gefühl von Zeitlosigkeit und Frieden war
vollkommen. Diese Erfahrung hat sich tief in mein Herz eingegraben und ich weiß,
dass ich mit Sicherheit nach Angkor zurückkehren werde.
Der Grund für den Niedergang der Khmer-Hochkultur waren
verheerende Kriege mit dem ersten Thai-Königreich Subkothai. Außerdem vermutet
man erhebliche Klimaveränderungen durch eine Übernutzung des Ackerlandes und
der Verfall des Wassersystems, was zu Dürren und ebenfalls zum Kollaps des
Reiches beigetragen haben könnte. Außerdem wurde wohl das handelspolitische
Zentrum des Khmer-Reiches nach Pnom Penh verlegt.
Wer mit offenem Herzen nach Angkor reist und sich
Zeit nimmt die außergewöhnliche Atmosphäre in sich aufzunehmen, wird das
Erlebnis niemals vergessen. Es lohnt es sich, den Touristenströmen
auszuweichen, indem man einen abweichenden Erkundungsplan wählt.
Angkor ist Geschichte zum Anfassen. Gleichzeitig
ist es für viele Buddhisten noch heute ein heiliger Ort und dem sollte man
Respekt entgegen bringen, was immer man persönlich glaubt. Kurz bevor ich
Angkor verlassen habe traf ich eine wundervolle Frau. Diese Geschichte findet sich hier: Reisereportagen: Heaven.
Wen solche Ruinenstädte begeistern, sollte sich
auch die Bilder aus Hampi vormerken. In diesem Leben möchte ich auf jeden Fall
auch noch Bagan in Myanmar sehen, aber auch die Zeugnisse der Maya und Inka in
Mittel- und Südamerika.
Wundervolle Bilder aus Angkor finden sich auch auf dem Blog
eines Puerto Ricaners, den ich unterwegs kennen gelernt habe. Meine Impressionen und Geschichte von Angkor Wat finden sich hier. Zum Abschluss eine zufällig enstandene Negativaufnahme:
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