Meine Faszination für neue Formen der Multimediareportage ist noch jung und ich möchte Euch in einer kleinen Serie einige der Fundstücke vorstellen, die ich in letzter Zeit sichten konnte. Mein Fokus liegt dabei nicht auf der Aktualität der Reportagen, sondern ich möchte jeweils mehrere Reportagen thematisch bündeln und den klassischen Fotojournalismus nicht außer Acht lassen. Es wird mit Sicherheit auch in Zukunft Aspekte eines Themas geben, die sich rein textlich am besten darstellen lassen oder mit Schwerpunkt auf Photographien und/oder Videos. In jedem Fall liegen in den Multimedia-Reportagen spannende Möglichkeiten Inhalte emotional aufzubereiten und so einen Einstieg zu essentiellen Themen zu ermöglichen.
In diesem Teil soll der Schwerpunkt auf dem Fortschritt
und seinen Folgen liegen - ein Thema,
das auch in meinen Reisereportagen einen wichtigen Teil einnimmt.
Die erste Reportage stammt vom Bombay Flying Club
und berichtet vom Kohleabbau im indischen Bundesstaat Jharkhand – im Osten Indiens. Sie zeigt Menschen, deren Leben sich auf Kohlefeldern abspielt. Die Kohlefelder
sind sowohl ihre Lebensgrundlage als auch massive Bedrohung für ihre Gesundheit
und ihr Leben. Mit dem illegalen Kohleabbau verdienen sich die Menschen
eine kümmerliche Existenz, während die hygienischen und gesundheitlichen Folgen
katastrophal sind. Die Menschen leiden an schweren Lungenerkrankungen und die
Lebenserwartung ist gering. Viele unterirdische Feuer in den Kohleflözen
brennen unkontrolliert und die Behausungen der Menschen können jederzeit in Flammen
aufgehen. Die Menschen werden durch die Ausweitung des Kohleabbaus vertrieben.
Alternativen gibt es nicht. Schlechte Bildung und das im Denken der indischen
Landbevölkerung weiterhin tief verankerte Kastendenken zementieren die
Verhältnisse. Die Slums der Städte, in die sich viele flüchten, platzen aus allen Nähten und aus dem nördlich
angrenzenden Bundesstaat Bihar (der ärmste Indiens) wandern weitere Menschen
ein. Die Industrie nimmt keine Verantwortung wahr. So harren die Menschen weiter
in ihren Behausungen aus und müssen jeden Moment mit dem Verlust ihrer
Lebensgrundlage rechnen. Die Fotographien sind in schwarz-weiß gehalten und
unterstreichen die Atmosphäre, die in diesen Mondlandschaften herrschen muss:
Vor zwei Wochen gingen verstörende Bilder aus
China durch die Medien. Sie zeigten eine unvorstellbare Smogentwicklung in
einer Reihe chinesischer Metropolen. Die Bilder kommen nicht völlig unerwartet
und doch ist ihr Ausmaß beispiellos.
Auch im Zuge der industriellen Revolution in Europa war die Luftqualität erschreckend schlecht – doch die Entwicklung in China stellt das deutlich in den Schatten. Doch alleine der chinesischen Regierung und Industrie den schwarzen Peter zuzuschieben ist deutlich zu kurz gegriffen. Zweifellos haben die Vertreter Chinas und der U.S.A. als weltgrößte Emissionserzeuger viel zu wenig unternommen, um zu einem klimapolitischen Konsens zu kommen. Das Ergebnis der vergangenen Klimakonferenzen ist schlicht beschämend.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass ein wesentlicher
Teil unserer Konsumgüter inzwischen in China produziert wird. So gehen uns
diese Bilder alle an – sie zeigen welche Folgen der globale Energiehunger hat –
und das ist ums bedrohlicher, als die Schwellen- und Entwicklungsländer massiv
steigende Emissionswerte haben.
Die Fotostrecke in „the Atlantic“ zeigt das Ausmaß in China in kurz kommentierten Fotografien. Auf den Bildern 2-5 kann man sich vergleichende Bilder von Peking ansehen – bei klarer Sicht und im Smog:
Zum Abschluss möchte ich Euch eine Reportage von Mediastorm ans Herz legen. Sie lässt
den Fotojournalisten Brent Stirton
von seinen Erfahrungen in Papua-Neuguinea berichten. Zunächst zeigen seine
Fotografien die Kultur der Papua, die sich vielfach einen Lebensstil bewahrt
haben, der auf einer Koexistenz mit der Natur beruht.
Papua-Neuguinea, das östlich von Indonesien (der westliche Teil der Insel gehört zu Indonesien) und nördlich von Australien liegt, beherbergt einen der größten verbliebenen Regenwälder. Doch dieses Erbe ist massiv bedroht. Auch hier drängen multinationale Konzerne mit aller Macht auf den Markt und beuten die Bodenschätze aus. Die Folgen sind unübersehbar: nachdem die Bäume gefällt werden, verlieren die Tiere ihren Lebensraum und der Mensch seinen natürlichen Zugang zu fruchtbarem Boden und seiner Nahrungskette. Die Folgen vom Abbau von Gold, Kupfer und Öl mit dem Einsatz von Chemikalien sind ein weiteres ökologisches Desaster.
Doch die Reportage beschränkt sich keineswegs darauf, das zu diagnostizieren und auf Beispiele hinzuweisen, wo diese Entwicklung bereits sehr weit gedeihen ist (lokal würde ich an Borneo oder Sumatra denken), sondern sie konzentriert sich auf die kulturelle Bedeutung dieser Veränderungen. Die zentrale Frage ist dabei:
Wem gehört das Land mit seinen Bodenschätzen?
In der Reportage kommt Galeva Sep zu Wort – ein Aktivist, der sich für den Erhalt der natürlichen Ressourcen einsetzt. Er möchte die lokalen Gemeinschaften davon überzeugen, dass sie nur Einfluss haben, wenn sie zusammenarbeiten - dass es durchaus Wege gibt, selbst die Ressourcen in einer vernünftigen Weise zu nutzen und nicht nur dabei zuzusehen, wie die multinationalen Konzerne die großen Gewinne machen und ohne ökologisches Gewissen handeln:
"Let's do it ourselves, and we can develop. We can change. Instead of relying on other people coming, taking it out and they give us peanuts. With the peanut they give us we cannot do much. What is the best ways of using our natural resources?"
Die Reportage zeigt die Konfusion, in der sich viele Papua befinden, die ihre traditionellen Lebensgewohnheiten aufgeben mussten und sich in den Städten verloren fühlen – ihrer kulturellen Identität beraubt.
An kaum einem anderen Ort auf der Welt stellt sich die Frage so stark wie hier: gibt es einen Weg für eine Entwicklung in einem humanen Tempo, der sich an den Belangen der Menschen orientiert? Brian Stirton sieht die Gesellschaft der Papua am Scheideweg: es gilt noch viel zu bewahren, doch es fehlt in seinen Augen nicht viel dazu, dass die Kultur so viel an Eigenständigkeit verliert, dass sie verloren geht. Die Reportage wurde von Mediastorm im Auftrag von Discovery produziert:
Mediastorm: The Price of Progress
Die Verbindung der drei Reportagen sehe ich vor allem in diesen Fragen:
Ist der Lebensstandard, den wir in den Industrieländern erwarten, nicht eine indirekte Enteignung der Menschen, die in einer Subsistenzwirtschaft leben - weil wir unseren Energiehunger nur befriedigen können, indem wir andere ausbeuten? Ist der klassische Kolonialismus nicht längst einem Neokolonialismus gewichen, der darauf beruht, dass wir im Westen billige Waren und Energie voraussetzen?
Gelingt es uns von Gesellschaften etwas über Subsistenzwirtschaft zu lernen, bevor wir ihnen die Grundlage dafür rauben? Brauchen wir nicht Ideen, wie wir unsere Zukunft auf eine Basis stellen können, die den Ressourcen dieses Planeten entspricht? Und was heißt das für unsere Art zu leben?
Papua-Neuguinea, das östlich von Indonesien (der westliche Teil der Insel gehört zu Indonesien) und nördlich von Australien liegt, beherbergt einen der größten verbliebenen Regenwälder. Doch dieses Erbe ist massiv bedroht. Auch hier drängen multinationale Konzerne mit aller Macht auf den Markt und beuten die Bodenschätze aus. Die Folgen sind unübersehbar: nachdem die Bäume gefällt werden, verlieren die Tiere ihren Lebensraum und der Mensch seinen natürlichen Zugang zu fruchtbarem Boden und seiner Nahrungskette. Die Folgen vom Abbau von Gold, Kupfer und Öl mit dem Einsatz von Chemikalien sind ein weiteres ökologisches Desaster.
Doch die Reportage beschränkt sich keineswegs darauf, das zu diagnostizieren und auf Beispiele hinzuweisen, wo diese Entwicklung bereits sehr weit gedeihen ist (lokal würde ich an Borneo oder Sumatra denken), sondern sie konzentriert sich auf die kulturelle Bedeutung dieser Veränderungen. Die zentrale Frage ist dabei:
Wem gehört das Land mit seinen Bodenschätzen?
In der Reportage kommt Galeva Sep zu Wort – ein Aktivist, der sich für den Erhalt der natürlichen Ressourcen einsetzt. Er möchte die lokalen Gemeinschaften davon überzeugen, dass sie nur Einfluss haben, wenn sie zusammenarbeiten - dass es durchaus Wege gibt, selbst die Ressourcen in einer vernünftigen Weise zu nutzen und nicht nur dabei zuzusehen, wie die multinationalen Konzerne die großen Gewinne machen und ohne ökologisches Gewissen handeln:
"Let's do it ourselves, and we can develop. We can change. Instead of relying on other people coming, taking it out and they give us peanuts. With the peanut they give us we cannot do much. What is the best ways of using our natural resources?"
Die Reportage zeigt die Konfusion, in der sich viele Papua befinden, die ihre traditionellen Lebensgewohnheiten aufgeben mussten und sich in den Städten verloren fühlen – ihrer kulturellen Identität beraubt.
An kaum einem anderen Ort auf der Welt stellt sich die Frage so stark wie hier: gibt es einen Weg für eine Entwicklung in einem humanen Tempo, der sich an den Belangen der Menschen orientiert? Brian Stirton sieht die Gesellschaft der Papua am Scheideweg: es gilt noch viel zu bewahren, doch es fehlt in seinen Augen nicht viel dazu, dass die Kultur so viel an Eigenständigkeit verliert, dass sie verloren geht. Die Reportage wurde von Mediastorm im Auftrag von Discovery produziert:
Mediastorm: The Price of Progress
Die Verbindung der drei Reportagen sehe ich vor allem in diesen Fragen:
Ist der Lebensstandard, den wir in den Industrieländern erwarten, nicht eine indirekte Enteignung der Menschen, die in einer Subsistenzwirtschaft leben - weil wir unseren Energiehunger nur befriedigen können, indem wir andere ausbeuten? Ist der klassische Kolonialismus nicht längst einem Neokolonialismus gewichen, der darauf beruht, dass wir im Westen billige Waren und Energie voraussetzen?
Gelingt es uns von Gesellschaften etwas über Subsistenzwirtschaft zu lernen, bevor wir ihnen die Grundlage dafür rauben? Brauchen wir nicht Ideen, wie wir unsere Zukunft auf eine Basis stellen können, die den Ressourcen dieses Planeten entspricht? Und was heißt das für unsere Art zu leben?
Weiterführende Links:
Die Folgen des Tourismus und der generell rasanten Entwicklungs Nepals auf die Kultur, Ökologie und den sozialen Zusammenhalt.
Reportagen: Wälder, Gletscher und der Klimawandel
In diesem Blog liegt der Fokus auf der Gefährdung der Ökosysteme Wald und Gletscher.
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In diesem Blog liegt der Fokus auf der Gefährdung der Ökosysteme Wald und Gletscher.
Gedanken zu den Möglichkeiten der Reportage und konkrete Beispiele, die
aufzeigen wie Journalismus und Kultur der Gesellschaft empathische
Erfahrungen vermitteln können, die Menschen zum Handeln anregen, um
einen nachhaltigen Wandel mit zu gestalten.
Hier im Besonderen der Film Killing Seeds, der
wichtige ökologische und soziale Fragen aufwirft und sich mit der Rolle
multinationaler Konzerne auseinandersetzt. Er ist Teil der Reihe White Gold von Uwe H. Martin, die sich mit dem globalen Baumwollhandel auseinandersetzt und dabei die Folgen von Gentechnik und Monokultur aufzeigt.
Die im Blog eingebundene Multimedia-Reportage Alma - Kind der Gewalt über den Alltag in Guatemalas Elendsviertel wurde gerade von World Press Photo als beste interaktive Webreportage ausgezeichnet.
Der Fotograf Sebastião Salgado zeigt in seinem neuen Fotoband Genesis, die Schönheit dieses Planeten. Im Gespräch mit Titel, Thesen, Temperamente spricht er in deutlichen Worten von der massiven Gefährdung unserer Welt:
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