Dienstag, 30. April 2013

Reportagen: Wälder, Gletscher und der Klimawandel


Dieser Blog widmet sich der Gefährdung des Ökosystems Erde. Als Beispiele stelle ich eine Reportage über Wälder und den Zustand der Gletscher im Himalaya in den Vordergrund.


Ökosystem Wald

80% der Biodervisität auf dem Land entstammen den Wäldern dieser Erde. Aus den Heilpflanzen wird die Hälfte der Arzneimittel gewonnen. Die Wälder sind ein riesiger Kohlenstoffspeicher. In ihnen ist dieselbe Menge gespeichert, die sich in der Atmosphäre befindet. Würde der Kohlenstoff durch Brandrodung vollständig freigesetzt, würde das unweigerlich zu einem Kollaps führen.

Nun werden Probleme wie der Klimawandel, ein Schwund der Artenvielfalt und die zunehmende Wüstenbildungen in vielen Regionen der Welt häufig separat betrachtet; ebenso soziale, ökonomische und ökologische Aspekte. Der Reportage über die Wälder, die ich zunächst vorstellen möchte, gelingt es diese verschiedenen Aspekte zu bündeln und in einen Bezug zueinander zu setzen.

Zum einen ist es die unkontrollierte Abholzung, die den Nährstoffgehalt des Bodens drastisch vermindert. Der Boden verliert seine Speicherkraft und ist der Erosion freigegeben. So entsteht in einigen Regionen die Gefahr von Wüstenbildung; möglich ist aber auch, dass der Boden in der Regenzeit das Wasser nicht mehr aufnehmen kann und es zu schweren Überschwemmungen kommt.

Zum anderen wird leicht vergessen, das der Wald neben Flora und Fauna auch für viele Menschen eine Lebensgrundlage bedeutet. Das hängt sicherlich mit der Wahrnehmung zusammen, dass es in den Industrieländern vor allem unberührte Nationalparks sind, in denen sich die Natur entfalten kann. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist die Realität eine Andere. Und so hat man gerade in letzter Zeit häufiger davon gehört, wie sich Menschen (beispielsweise im Amazonas) gegen die Vernichtung ihres Lebensraums durch Staudämme oder die weitere Etablierung riesiger Monokulturen zur Wehr setzen. Der Wald ist ihre Heimat, ihre Lebensgrundlage; hier werden Traditionen und ein Lebensstil bewahrt, der auf einer Koexistenz mit der Natur basiert. Ein Lebensstil der darauf angewiesen ist, die Ressourcen zu bewahren. Der Wald ist Nahrungsquelle, Apotheke und Einkommensquelle.

Verschwindet dieser Lebensraum, kommt es neben den ökologischen zu gravierenden sozialen Folgen für die Bewohner. Mit der Heimat schwindet ein Teil ihrer kulturellen Identität. Die Unabhängigkeit ihres Lebensstils wird zerstört. Die Verbindung zur Natur wird gekappt. Es bleibt ihnen selbst nichts anderes als selbst Brandrodung zu betreiben, zu Farmern und/oder Viehzüchtern zu werden. Oder in die völlige Abhängigkeit zu geraten. Viele flüchten in die ohnehin schon überfüllten Städte und vergrößern die dort bestehenden Probleme noch weiter. Die Slums wachsen.

An die Stelle von nachhaltiger Ressourcennutzung treten industrialisierte Monokulturen. Palmöl und Raps sollen den globalen Energiehunger stillen. Die Menschen sind immer stärker auf Massentierhaltung und auf die Lebensmittelindustrie angewiesen. Die Folgen sind verheerend. Die Atmosphäre wird durch die Landwirtschaft mit Unmengen an Methan angereichert.

Oft wird vorgegaukelt, die immens steigende Weltbevölkerung könne nur mithilfe von Agrarindustrie und genmanipulierten Lebensmitteln sichergestellt werden. Dem entgegen steht die Möglichkeit, die Biodervisität zu erhalten und dort, wo sie bereits verschwunden, ist mit Permakulturen und Aufforstung wiederherzustellen. Das erscheint mir der sinnvollere Weg - die Folgen von riesigen Palmölplantagen und dem Einsatz von Gentechnik zur Steigerung des Ertrags gehen in meinen Augen nach hinten los und bedrohen das ökologische Gleichgewicht massiv.

Eine Umkehr zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung wird ein langer Prozess sein; aber er muss jetzt beginnen. Die Tatsache, dass der weltweite CO²-Ausstoß weiter gestiegen ist, obwohl die Grenzen des Wachstums inzwischen den allermeisten bekannt sein dürften, ist beschämend.

Nun zu der Reportage, die von Mediastorm im Auftrag von United Nations - Forum on Forrests produziert wurde und mit berührenden Bildern die Schönheit und Gefährdung des Ökosystems Wald aufzeigt:




die Gletscher der Himalaya

Nun zu den Folgen für die Gletscher des Himalaya. Auch dort stellt Brandrodung und Abholzung ein großes Problem dar. Die sturzartigen Überschwemmungen in Ladakh im Jahr 2010 sind ein alarmierendes Zeichen. Es kam zu ungewohnt heftigen Regenfällen in der eigentlich sehr trockenen Region. Der Boden konnte die Wassermassen nicht aufnehmen und es kam zu verheerenden Überschwemmungen, die einen ganzen Stadtteil von Leh zerstört haben. Auch in Pakistan kam es entlang des Indus zu verheerenden Überschwemmungen.

Nachdem mich meine Reisen bereits dreimal in den Himalaya geführt haben, liegt mir die Bergwelt besonders am Herzen. In einigen Regionen haben sich in der relativen Abgeschiedenheit Kulturen erhalten, die andernorts verdrängt wurden. Allein das Naturerlebnis ist grandios.
Doch neben den Veränderungen, die sich sichbar vollziehen (Tourismus, Verbesserung der Infrastruktur und der Einzug westlicher Konsumkultur) gibt es auch Veränderungen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind und doch gravierende Folgen haben. Während meiner Wanderung in der Khumbu-Region fehlten mir Vergleichsmöglichkeiten und so nahm ich die gravierenden Veränderungen der Gletscher naturgemäß nicht wahr. Ich konnte die Dimensionen erst erahnen, als ich im Mountaneering Museum in Pokhara (Westnepal) vergleichende Bilder der Gletscher sah - von vor 40 Jahren und heute. Es war deutlich sichtbar: eine ganze Reihe von Gletschern hatte die Hälfte ihrer Größe eingebüßt. Eine Vergleichsmöglichkeit bietet die Website von GlacierWorks.

Noch deutlicher wird die Dimension der Veränderungen in der Reportage "on thinner ice", die Mediastorm für die "Asia  Society" produziert hat!


Die Gletscher verschwinden in einem rasanten Tempo. Neben der Ausbreitung von Wüsten, dem Schwund der Regenwälder und dem Ansteigen des Meeresspiegels, liegt darin sicher die größte Sprengkraft für die Zukunft. In Tibet liegt das Wasserreservoir, in dem bedeutende asiatische Flüsse ihre Quelle haben: unter anderem der Indus, der Brahmaputra, der Yangtse oder der Mekong.
Das Wasser dieser Flüsse ist für bis zu zwei Milliarden Menschen Asiens Lebensgrundlage. Sie werden wesentlich von den Gletschern des Himalayas gespeist. Daneben stellt der Monsun die entscheidende Wasserquelle dar. Doch auch das komplexe System des Monsuns ist von den Klimaveränderungen betroffen. Der Monsun wird unberechenbarer und es kommt zu häufigeren Dürreperioden oder Starkregen. In Rajasthan konnte ich 2009 sehen, wie ganze Seen ausgetrocknet waren. Die Wasserversorgung wird immer schwieriger sicherzustellen. Die Bevölkerungsentwicklung und die Landflucht verschärfen die Problematik weiter. Längst hat das Problem auch eine politische Dimension. Staudämme und Umleitungen der Flüsse sorgen für Spannungen zwischen Indien, China, Pakistan, Bangladesch und den Anrainerstaaten des Mekong in Südostasien.

Es drohen militärische Konflikte um das Wasser - nicht nur in Asien. Große Völkerwanderungen sind zu befürchten, wenn die Lebensgrundlage Wasser zur schwindenden Ressource wird.

Claus Kleber zeigt für ARTE FUTURE die Dimension dieses sich verschärfenden Konflikts:


Diese Entwicklung wird sich nicht mehr vollständig aufhalten lassen, aber es ist höchste Zeit gegenzusteuern und zu echten Vereinbarungen zum Klimaschutz zu gelangen. Und von denen zu lernen, die wissen, wie man in Verbindung zur Natur lebt. Wir leben duetlich über unsere Verhältnisse - was umso verheerender ist, als die Schwellenländer mitten im Aufbruch stehen und einen immer größeren Energiehunger entwickeln. Sicher liegt einige Hoffnung in den erneurbaren Energien. Doch bis diese ausgereift sind bedarf es ernsthafter Kooperation zwischen den Staaten. Es geht schließlich um die Zukunft für jetzige und zukünftige Generationen. Nicht zuletzt würde das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien zu einem unkontrollierbaren Katalysator der Klimaerwärmung führen - da hier große Mengen von Methan und Kohlenstoff im Boden gespeichert sind. Bei den Links findet sich ein Kurz-Interview zu dem Thema und den möglichen Folgen. 
Auch die Meere sind durch Plastikmüll und Giftstoffe schwer belastet.

Es geht also längst um alles. Und es geht mir hier nicht um Alarmismus. Ich würde mich gerne ganz auf die Schönheit der Welt konzentrieren - aber diese Zusammenhänge zu ignorieren halte ich für fatal. Dabei erscheint es mir nicht entscheidend, wer nun Recht hat, in welcher Geschwindigkeit sich diese Prozesse vollziehen - entscheidend ist, sie aufzuhalten. Alleine darauf zu setzen, der technologische Fortschritt würde die selbstgeschaffenen Probleme wieder korrigieren, halte ich für eine gefährliche Sackgasse.

Die Antworten für diese Probleme können nur in internationaler Verständigung und lokalen Initiativen liegen, in denen nachhaltige Initiativen entwickelt und weitergetragen werden. Entgegen jeder Wachstumsideologie können wir das Überleben nur sichern, in dem wir auf ein ökologisch verträgliches Maß schrumpfen. Wir können keinesfalls die verbleibenden Ressourcen ausbeuten - das können wir uns nicht leisten. Vielmehr müssen wir Alternativen entwickeln und statt einer Ausweitung der Industrie auf Schutzräume setzen. 

Gerade die Natur hat eine ungeheure Kraft, die Erde zu reinigen. Und es bedarf Menschen, die diese Ressourcen im nachhaltigen Sinne nutzen, schützen und ihr Wissen an die weitertragen können, die die natürlichen Zusammenhänge aus dem Blick verloren haben. Nur dann werden auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden können!


Weiterführende Links:


Film mit beeindruckenden Bilder über Schönheit und Gefährdung des Ökosystems Erde. 


In diesem Blog mit Reportagen aus Indien, China und Papua liegt der Schwerpunkt auf Gerechtigkeit und dem Verlust der Identität durch den Verlust von Lebensräumen durch den "Fortschritt". 


Kurz-Interview mit dem Polarforscher Hugues Lantuit. 


eine Geschichte aus der von Dürre bedrohten Sahelzone, die Mut macht!


Informationen über die Herausforderung genug Nahrungsmittel bereitzustellen und Hunger zu stoppen - mit Informationen zu Folgen von Massentierhaltung, Monokulturen und Energie.


Über den Zusammenhang von Regenwaldzerstörung und Klimawandel.

Freitag, 19. April 2013

Reisereportagen: Plain of Jars - Bomben über Laos



Wie Laos in den Strudel des kalten Krieges gezogen wurde…


Neben den wundervollen Erfahrungen in Luang Prabang - dem spirituellen Zentrum des Buddhismus im Nordwesten und auf Si Phan Don - den „viertausend Inseln“ des Mekong im Süden des Landes – wartete in Laos eine Geschichte, auf die ich nicht vorbereitet war und die ich nie vergessen werde!


Einleitung:

Bevor ich gemeinsam mit meinem Freund Pete das Land vom Norden in den Süden querte, machten wir einen Abstecher nach Phonsavan im Nordosten des Landes - unweit von der chinesischen und vietnamesischen Grenze. Wir wollten den Partytourismus in Vang Vieng unbedingt meiden und stattdessen einen Blick auf die mysteriösen Monolithen der Plain of Jars / die Ebene der Tonkrüge werfen. Auf dieser Ebene stehen auf verschiedenen Arealen schwere Steinkrüge, deren genaue Funktion umstritten ist und die an keinem anderen Ort Südostasiens vorzufinden sind. 


Nach zehn Tagen in Luang Prabang ließ ich die Stadt schweren Herzens hinter mir; Pete hatte es ähnlich gut gefallen, doch er war froh weiterzukommen; er konnte gar nicht erwarten, zu den viertausend Inseln im Süden zu gelangen. Wir fuhren in einem öffentlichen Bus kurze Zeit Richtung der Hauptstadt Vientiane im Süden, bevor wir in östlicher Richtung abschwenkten. Der Bus fuhr in einer sehr gemächlichen Geschwindigkeit, was gut zu der Gelassenheit der Laoten und der betörenden Landschaft zu passen schien, in der man sich leicht verlieren konnte.


Stundenlang fuhren wir in endlosen Serpentinen immer höher in eine Berglandschaft und konnten von dieser Warte eine Landschaft mit grün bewachsenen Hügeln, kleinen Flussläufen in den Tälern und vereinzelten Dörfern überblicken. Je höher wir kamen, desto dichter wurde der Nebel. Die Schemen verliehen der Landschaft etwas Geheimnisvolles.

Als wir die Berge verließen, erlebten wir einen radikalen Landschaftswechsel. Die Landschaft wurde offener und die Hügel verflachten. Wir erreichten die plain of jars


Pete fühlte sich an die Prärie im mittleren Westen der U.S.A. erinnert. Wir fuhren an verkümmerten Wäldern vorbei, denen man die Folgen von Brandrodungen deutlich ansah. Dann passierten wir ein Gebiet, das mit Minen-Warnzeichen abgesteckt war. Schließlich erreichten wir ein an der Hauptstraße langgezogenes und wenig einladend wirkendes Städtchen: Phonsavan.


Phonsavan

Ich folge nur selten meinem Reiseführer; diesmal machte ich eine Ausnahme, da ein Gasthaus besonders wegen seiner Touren in die Umgebung gelobt wurde. Das war ein Glücksfall; das Gasthaus lag ein wenig versteckt hinter einem nicht mehr benutzten Flugfeld. Der Eingang des Gasthauses war mit Überresten eines Krieges bestückt: Armeehelme, sowie Teile von Granaten, Bomben und Maschinengewehren. Dahinter lag ein einladender Eingangsbereich, in dem allabendlich ein Lagerfeuer entzündet wurde. In den Nachtstunden wurde es empfindlich kühl – gerade nach den sonnigen Tagen in Luang Prabang.

Während sich Pete bald zurückzog saß ich noch lange mit einer Gruppe am Lagerfeuer, die gerade von einer Tour zurückkam, die wir ebenfalls für den nächsten Tag gebucht hatten. Ich freundete mich mit dem Hausherrn an und kam nicht umhin, den traditionellen Reisschnaps (Lao-Lao) zu probieren. Beim Probieren blieb es nicht und es wurde feuchtfröhlich. Spätestens am nächsten Morgen wusste ich wieder, warum ich Schnaps seit meiner frühen Jugend besser mied. Meine Glieder waren dermaßen steif, dass mir jede Bewegung wie eine Qual vorkam. Besonders übel war der frühmorgendliche Besuch auf dem Markt der Stadt. Hier kauften wir uns Proviant für ein Picknick unterwegs. Als ob mir nicht schon übel gewesen wäre, wurde auf dem Markt Fleisch aller Tiere aufgefahren, die jemals einen Fuß nach Laos gesetzt hatten. Der Geruch setzte mir schwer zu; ich zog in Betracht, spontan auf vegetarische Ernährung umzusteigen. Ich überstand es mit knapper Not.


Bomben über Laos

Wir steuerten einen Teil der Ebene an, der von Bombenkratern übersät war. Die Ebene der Tonkrüge ist die Region von Laos, die während des Vietnamkriegs mit einem Flächenbombardement aus der Luft dem Erdboden gleich gemacht wurde. Die riesigen Durchmesser machten die gewaltige Sprengkraft der tödlichen Luftfracht deutlich. 


Der Luftkrieg gegen Laos ist kaum bekannt. Es ist ein Krieg der im Geheimen geführt wurde und schnell wieder in Vergessenheit geriet. Denn neben Vietnam, Korea und Kambodscha wurde der kalte Krieg auch nach Laos getragen. Schlimmer noch – über Laos wurden während des Vietnamkriegs mehr Bomben abgeworfen als über Deutschland in beiden Weltkriegen zusammen. Dabei hatte ich nie zuvor von einem Krieg in Laos gehört.


Das Dorf

Wir fuhren zu einem nahe gelegenen Dorf. Als Stelzen für die einfachen Holzhütten hatte man anstatt der üblichen Holzpfähle Hüllen von Splitterbomben genutzt. 

 
In anderen Bombenhülsen wuchsen Blumen und Gemüse. Das Metall ist als Rohstoff begehrt. Es gibt sogar einen blühenden Handel mit dem Altmetall. Dabei kommt es immer wieder zu verheerenden Unfällen bei der Explosion von Blindgängern.
Besonders gefährdet sind Kinder, die die tennisballgroßen Splitterbomben leicht mit Spielzeug verwechseln können. Auch die Feldarbeit ist überall dort gefährlich, wo noch nicht nach Blindgängern gesucht wurde. Der Nordosten von Laos war die Hochburg des kommunistischen Patet Lao. Nordvietnam liegt nicht weit entfernt.
Wenn man die traditionellen Dorfgemeinschaften in abgelegenen Teilen von Laos gesehen hat, bekommt man eine kleine Ahnung davon, wie unwirklich es gewesen sein muss, als schwere Bomber über das Land einfielen und alles rundherum vernichteten. 
Als der Frieden jäh unvorstellbarem Grauen wich.


Der Zivilbevölkerung blieb nur die Flucht in die Höhlensysteme der Karstlandschaft. Die Felder blieben größtenteils unbestellt und zu der Bombardierung kam extreme Lebensmittelknappheit. Manche versuchten nachts die Ernte von den Feldern einzufahren. Aber auch das war extrem gefährlich.


Der Wasserfall

Wir fuhren weiter. Die landwirtschaftlich genutzten Gebiete verschwanden nach und nach und wir fuhren in tropischen Monsunwald. Die ganze Schönheit des Landes lag direkt vor uns. Wir machten eine Wanderung und stiegen zu einem herrlichen Wasserfall hinab. 


Hier machten wir Rast und verzehrten unseren sticky rice, der in einem Bambusrohr verpackt war. Ich konzentrierte mich ganz auf die Geräusche des Waldes und hätte mich gerne dem Schlaf hingegeben. Auf dem Rückweg stiegen wir die Terrassen entlang des Wasserfalls hinauf und ich nahm ein kurzes Bad im eiskalten Wasser und das hauchte mir neue Lebensgeister ein. 


Die Ebene der Tonkrüge




Zum Abschluss besichtigten wir die bekannteste Stätte unter den jars. Hunderte Steinkrüge lagen in Ansammlungen verstreut vor uns. Einige waren mannshoch. Sie lagen auf einer kleinen Anhöhe. Natürlich rätselten auch wir über ihre Herkunft und ihren Zweck. Der Legende nach hatten hier Riesen gelebt, die in den Krügen Reisschnaps aufbewahrten aufbewahrt. Eine sehr charmante Version. Mein Gefühl war recht eindeutig - ich würde hier einen Friedhof anlegen. An diesem wundervollen Ort, mit weiten Ausblicken über die umgebende Landschaft. Ein Ort der Stille, der mir geeignet schien, die Ahnen zu ehren. Interessant, wie man es wohl geschafft hatte, diese wuchtigen und schweren Krüge, hierher zu schaffen. Aber Laos hat schließlich den Beinamen „Land der tausend Elefanten“…


Der geheime Krieg

Zurück an der Feuerstelle vor dem Gasthaus machten wir ein Barbecue aus unseren Einkäufen vom Morgen. Danach sahen wir uns gemeinsam einen Film über den geheimen Krieg in Laos an. Erst jetzt wurde uns die wahre Dimension der Ereignisse deutlich.
Um das Geschehen in Laos im Ansatz zu verstehen, ist ein Ausflug in die Geschichte notwendig. Dabei beschränke ich mich weitgehend auf die laotische Perspektive:

 Die „Union Indochinoise“ war ein französisches Kolonialreich in Südostasien und wurde 1887 gegründet. Vorangegangen war die Weigerung des vietnamesischen Kaisers Tu Duc Handelsverträge mit Frankreich abzuschließen. Napoleon III. reagierte mit militärischen Schlägen. 1859 wurde Saigon von den Franzosen erobert und der Süden Vietnams besetzt. Nach dem französisch-chinesischen Krieg (1884-85) umfasste das Kolonialreich das ganze heutige Vietnam und Kambodscha. Laos wurde 1893 besetzt.

Im zweiten Weltkrieg wurde Französisch-Indochina kampflos von Japan besetzt. Die Japaner herrschen bis kurz vor Ende des Kriegs mit Vichy-treuen Franzosen. Kurz vor Ende des Kriegs wurden (durch die Ereignisse in Europa) die Franzosen inhaftiert und die Japaner drängten die kambodschanischen, laotischen und vietnamesischen Monarchen zur Ausrufung der Unabhängigkeit. Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurden die Unabhängigkeitserklärungen erneuert. Doch Frankreich strebt danach, seine Kolonialherrschaft erneut zu etablieren und entsandte Truppen.
 
In Laos übernahmen die Lao Issarak zwischen 1945 und 1946 die Macht. Sie setzen sich zu einem wesentlichen Teil aus Desserteuren der „Garde indigène“ zusammen - einer Einheit, die Frankreich aus Einheimischen aufgestellt hatte, um die Macht im Land zu sichern. Sie verbündeten sich im November 1945 mit den vietnamesischen Vietminh unter Ho Chi Minh. Die Lao Issarak wollten die Rückeroberung durch die Franzosen verhindern und stellten sich gegen die Monarchen, die sich erneut mit den Franzosen arrangieren wollten. Doch gegen die französische Armee waren sie chancenlos und wurden im März 1946 bei Takhek vernichtend geschlagen. Ein Großteil der Lao Issarak begab sich ins thailändische Exil.

Der erste Indochina-Krieg (1946-1954) spielte sich hauptsächlich in Vietnam ab. In Laos verschaffte ein 1949 geschlossener französisch-laotischer Vertrag dem Land einen Status als unabhängiges Mitglied innerhalb der Union Française. Die Exilanten kehrten aus Thailand zurück. Ein Teil von ihnen gab sich mit dem Autonomiestatus zufrieden.


1950 gründete sich die Pathet-Lao mit Unterstützung der Vietminh. Sie lehnten den Autonomiestatus ab, verlangten echte Unabhängigkeit und setzten auf kommunistische Ideale. In erster Linie waren sie aber Freiheitskämpfer. Ihr Hauptquartier lag in den Höhlen von Viengxay im Norden von Laos. 1953 drangen Vietminh in Laos ein und brachten gemeinsam mit der Pathet Lao weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle.
1954 endete der erste Indochinakrieg nach der Niederlage der französischen Kolonialarmee in Vietnam – damit war das Ende des französischen Kolonialreichs besiegelt. Im Rahmen des Genfer Waffenstillstandsabkommens wurde der Rückzug von französischen Soldaten und Vietminh festgelegt. Der Pathet Lao wurde vorübergehend die Kontrolle über zwei Provinzen im Norden von Laos zugestanden. 1957 wurde eine Allparteienregierung gebildet. Laos sollte neutral bleiben. Es kam zu einer Vereinbarung zwischen dem Führer der Pathet Lao - Prinz Souvanna Vong und dem neutralistischen Premierminister Prinz Souvanna Phouma – die Pathet Lao wurde in die Regierung eingebunden. 

Mit schwindendem französischen steigt der US-amerikanische Einfluss in der Region. Die US-Regierung ist mit der Neutralität des Landes nicht einverstanden, ratifiziert das Genfer Abkommen nicht, beteuert aber sich an die Vereinbarung halten zu wollen. Tatsächlich befürchtet die US-Regierung, dass Laos der Dominostein sein könnte, durch dessen Fall sich der Kommunismus in ganz Südostasien ausbreiten könnte.
1958 erreichten die linken Parteien bei freien Wahlen große Stimmanteile; die USA stellten daraufhin ihre Zahlungen an Laos ein, so dass sich die neue Regierung nicht halten konnte; eine konservative Regierung trat an ihre Stelle. Die Pathet Lao nimmt ihren Guerillakampf wieder auf. Eine neue Welle der Gewalt rollte über das Land.

1960 kam es zum Putsch durch Kong Le - den 26-jährigen Kommandant eines Fallschirmbataillons; Souvanna Phouma kam erneut an die Macht. Doch schon wenige Monate später kam es zu einem Militätputsch der konservativen Kräfte mit Hilfe der U.S.A. und Thailand. Kong Le flüchtete zur Ebene der Tonkrüge. Nun verschärften sich die Fronten. Das Land war tief gespalten zwischen Pathet Lao, prowestlichen Kräften und den Neutralisten. Es kam zum Bürgerkrieg. 

Auf Drängen Souvanna Phoumas entstand eine russische Luftbrücke nach Nordlaos.
China belieferte die Pathet Lao mit Waffen und die Nordvietnamesen bauten den berühmt-berüchtigten Ho-Chi-Minh-Pfad aus, der als Nachschubweg für den Vietcong in Südvietnam diente und durch Teile von Südlaos verlief.
Gleichzeitig baute die U.S.A. in Long Tieng eine Geheimarmee auf. Man warb Männer aus dem Bergvolk der Hmong an und machte sich damit die traditionelle Feindschaft mit den Vietnamesen zunutze. Geldgeber war die C.I.A. Um die Operation zu verschleiern setzte die C.I.A. größtenteils auf thailändische Eliteeinheiten. Die US-amerikanischen Ausbilder traten als Zivilisten auf.
Eine zweite Laos-Konferenz 1961-1962 führte zur Bildung einer zweiten Koalitionsregierung, die sich aber auch nur Monate halten konnte. Es wurde festgeschrieben, dass keine ausländischen Truppen in Laos stationiert sein dürfen.
Chrustschow und Kennedy verständigten sich offiziell auf die Neutralität von Laos.
Doch das war nur eine Farce. Kennedy sah im Guerillakampf die größte Gefahr für die westlichen Interessen. Perfider weise setzte er auf die gleichen Mittel. Kennedy sprach davon, man müsse die Souveränität des laotischen Staates bewahren, dabei destabilisierte die U.S.A. Laos ganz bewusst, um intervenieren zu können…
Offiziell unterstützten die U.S.A. die Neutralisten und stellten den gesamten Militäretat von Laos, gleichzeitig finanzierte die C.I.A. konservative Kräfte im Land.

Zwischen 1962 und 1964 spaltete sich die Neutralisten; ein Teil läuft zur Pathet Lao über; der andere bildete eine Koalition mit den pro-westlichen Konservativen.


Long Tieng (Long Cheng)

Das Flugfeld in Long Tieng wurde 1962 in schwer zugänglichem tropischem Bergland von Laos errichtet. Es war auf Karten ausschließlich als Notlandeplatz verzeichnet. Von hier aus wurde der geheime Krieg in Laos koordiniert. Im Laufe der 60-er Jahre wurde der Flughafen mit 400 Starts und Landungen am Tag zu dem Drehkreutz im geheimen Krieg. 
In der Stadt, die mit der Zeit entstand, lebten 1964 bereits etwa 40.000 Menschen; damit war Long Tieng die zweitgrößte Stadt in Laos. Die Existenz blieb bis 1971 ein gut gehütetes Geheimnis, als Journalisten erstmals über die Geheimbasis berichteten.
Gleiches galt für die militärischen Aktionen in Laos. Der Kongress wusste von der ganzen CIA-Operation nichts. Offiziell war es die private Fluggesellschaft Air America, die in Laos agierte und eine Vielzahl von Landepisten schuf – doch dabei handelte es sich seit dem Aufkauf der C.I.A. um eine Tarnfirma. Unter dem Tarnmantel der Entwicklungshilfe und mit dem Hmong-General Vang Pao als Verbündeten, der schon als Sergeant in der französischen Armee gedinet hatte und wie ein Warlord agierte. Er beherrschte den Opiumhandel und führte Zwangsrekrutierungen im Norden von Laos durch. Die Dörfer, die sich weigerten, Kämpfer zu stellen, erhielten keine Reislieferungen mehr.

1964 erklärte Präsident Johnson Krieg gegen Vietnam. Zugleich verschärfte sich der geheime Krieg in Laos. Offiziell wurde kein Krieg geführt – Nixon holte sich erst 1969 nachträglich die Genehmigung des Kongress und leugnete den Einsatz zuvor vehement. Der Krieg zwischen den Bodentruppen der Geheimarmee und den Pathet Lao spielte sich vor allem in den plains of jar ab. Auch die Luftangriffe richten sich vor allemauf diese Region (abgesehen von den Routen des Ho-Chi-Minh-Pfades im Süden des Landes). Neben der gezielten Zerstörung wurden auch Bomben über Laos abgeworfen, wenn die Bomber ihre Ziele in Vietnam verfehlt hatten – mit ihrer Bombenfracht konnten die Flugzeuge nicht landen!

Selbst das Ende der Bombardierung von Nordvietnam 1968 führte nicht zum Ende des Luftkriegs in Laos – im Gegenteil: der Krieg wurde noch ausgeweitet. Die Flächenbombardements begannen. Zugleich erhielten die Pathet Lao stärkere Unterstützung aus Nordvietnam. Keine Region in der Geschichte der Menschheit wurde einer solchen Bombardierung ausgesetzt. Das Napalm zerstörte komplette Wälder. Noch heimtückischer war die Fracht der B52-Bomber, die von der Pazifikinsel Guam starteten. Sie flogen so hoch, dass sie nicht hörbar waren, wenn sie ihre Bomben über dem Land abwarfen. Kleinere Flugzeuge flogen von Thailand, Südvietnam und Flugzeugträgern aus über das Land. Für den Krieg in Laos und Vietnam wurden Cluster-Bomben entwickelt. Sie zerfallen vor dem Aufprall auf die Erde in hunderte tennisballgroße Sprengbomben. Deren Splitter sind extrem heimtückisch. Die Bewohner der plain of jar flohen vor den Luftangriffen in Höhlen. Von der Provinzhauptstadt Xiang Khuang blieben nur Trümmer. Ein ganzer Lebensraum wurde zerstört. Und so ist das heutige Phongsavan ist eine relativ junge Stadt.

Erst dem Entwicklungshelfer Fred Branfman, der von 1967-1971 in Laos lebte, gelang es nach seiner Rückkehr in die U.S.A. das Thema publik zu machen und er sagte vor einem Untersuchungsausschuss des Senats über seine Beobachtungen aus. Doch selbst durch die Veröffentlichung der Vorgänge in Laos änderte sich nichts. Die Enthüllungen schafften es nicht auf die Titelseiten der großen Zeitungen.

Erst 1975 endet der Krieg mit dem Sieg der Pathet Lao - zwei Wochen nach dem Sieg der Kommunisten in Südvietnam. Die US-Amerikaner verließen fluchtartig Long Tieng. 3000 Hmong-Kämpfer wurden ausgeflogen. Der Rest wurde zurückgelassen. Nachdem bereits ein Großteil der Hmong im Kampfesalter gestorben war, hatte man zuletzt auch Kindersoldaten eingesetzt. Viele Hmong flüchteten später nach Thailand und in die U.S.A. – so auch General Vang Pao, der 2011 dort verstarb.

Laos wurde kommunistisch und isolierte sich bis 1990. Der Krieg hingegen fand kein vollständiges Ende. Die ethnischen Konflikte zwischen Hmong und Lao führten dazu, dass der Krieg - vor allem in der Region Xaisomboun - andauerte. Hier liegt auch Long Tieng. Der Photojournalist Philipp Blenkinshop stieß hier 1992 auf die Reste der Geheimarmee der C.I.A., die sich seit Jahrzehnten völlig isoliert im nicht endenden Krieg befunden hatte. Noch heute ist Xaisomboun eine sehr instabile Region von Laos.


Epilog
 
Der Krieg gegen Laos geriet schnell wieder in Vergessenheit. Es wurden keine Schadenersatzleistungen gezahlt und die U.S.A. beteiligt sich nicht direkt an der Minenräumung. Stattdessen tun das private Organisationen wie M.A.G.
Der Besitzer unseres Gasthauses  war allerdings nicht gut auf sie zu sprechen. Er hatte einmal selbst für eine dieser Organisationen gearbeitet und konnte berichten, dass die Männer und Frauen, die das Hauptrisiko tragen, mit lausigen 2 US-Dollar am Tag abgespeist wurden. Damit ist es ein besser bezahlter Job als viele andere, aber es ist dennoch blanker Hohn sein Leben für 60 US-Dollar jeden Tag aufs Spiel zu setzen. Was blieb der Familie, wenn der schlimmste Fall eintritt? Das ist das generell ein Problem der ausländischen Entwicklungshilfe. Viel Geld versickert in Verwaltung und für ausländische Helfer und häufig wandert zu wenig Geld in die eigentliche Arbeit. Im vorliegenden Fall kann ich das nicht beurteilen und angesichts der Probleme bin ich froh, dass es diese Organisationen gibt.

Da noch immer viele Felder mit Minen gespickt sind, kann sich Laos nicht entwickeln. Missernten treffen die Bevölkerung aufgrund der begrenzten Anbaufläche besonders hart. So ist Laos noch immer eines der ärmsten Länder der Welt. Die Wunden sitzen weiter tief. Ich konnte den Zorn unseres Gastgebers nur zu gut verstehen.

Cluster-Bomben sind zwar inzwischen geächtet, werden aber noch immer eingesetzt.

Die Außenpolitik der U.S.A. hat sich nicht entscheidend geändert. Das zeigt das Beispiel von Afghanistan deutlich, als man die Taliban ausrüstete und sie nach dem Sieg gegen die Sowjetunion fallen ließ. Die Folgen sind hinlänglich bekannt…

Es wird noch Jahrzehnte dauern bis die Blindgänger in Laos geräumt sind…


weiterführende Links: 
  
Der Trailer zur ARTE-Dokumentation: Amerikas geheimer Krieg in Laos

Der Dokumentarfilm von Marc Eberle zeigt die ganze Dimension des geheimen Kriegs.

MAG – Surviving the peace

Mediastorm drehte diesen Film im Auftrag M.A.G. Hier kommt eines der Opfer der tückischen Minen ausführlich zu Wort und man erfährt von der Minenräumung.

Kong Keo Guesthouse

ausnahmsweise eine Empfehlung für eine Unterkunft. Die Touren, die Kong Keo anbietet sind sehr empfehlenswert und man erhält Einblicke in die Geschichte der Region. 

Reflexionen eines Suchenden: Afghanistan

in meinem Blog über Afghanistan findet sich eine erstklassige Mediastorm-Reportage über Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft des Landes - mit eigenen Gedanken.


für meine Recherche waren auch Wikipedia-Artikel und der Stephan-Loose-Reiseführer "Südostasien" (aus dem ich auch den Hinweis auf das Gasthaus entnahm) hilfreich.
Sehr interessant auch der Wikipedia-Artikel über die Operation "Rolling Thunder"...